Jeden vermeidbaren Krebstod verhindern
Auf dem „Vision Zero Summit" trifft sich das Who’s Who der deutschen Krebsforschung. An zwei intensiven Konferenztagen wird klar: Die Nationale Dekade gegen Krebs hat die Patientenbeteiligung in Deutschland schon auf ein neues Niveau gehoben. Gleichzeitig bleibt noch viel zu tun zum Beispiel beim Thema Daten.
Jeden vermeidbaren Krebsfall auch wirklich vermeiden – unter diesem Leitmotiv fand am 19. und 20. Juni in Berlin der Vision Zero Summit 2023 statt. Für Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger war es eine Art Heimspiel: Der Verein Vision Zero gehört zu den ersten Unterstützern der Nationalen Dekade gegen Krebs (NDK), der „größten und schlagkräftigsten Initiative, die es in Deutschland im Kampf gegen den Krebs jemals gegeben hat“, so die Ministerin zum Auftakt der Konferenz. Und mit Blick auf die gemeinsame Vision fügte sie hinzu: „Unser Schulterschluss ist die Basis, dass wir es schaffen.“
Die Präzisionsonkologie nimmt Fahrt auf
In der Onkologie geht es immer mehr in Richtung von individuell angepassten Diagnosen und Therapien. Das Ziel ist es, Betroffenen in allen Bereichen innovative Behandlungen möglichst schnell zur Verfügung zu stellen. Hierauf zielt auch der Ausbau des Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) ab, das Krebsforschung und Patientenversorgung unter einem Dach vereint. Das NCT wird im Rahmen der Dekade gegen Krebs von zwei auf sechs Standorte erweitert.
Potentiale
Viel diskutiert wurde über den Austausch von Daten. Prof. Stefan Pfister vom Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg betonte, mindestens 95 Prozent der Eltern wollten einen Beitrag leisten, um der nächsten Generation kleiner Patienten zu helfen – selbst wenn ihrem eigenen Kind nicht geholfen werden kann. „Beim Datenschutz und all den regulatorischen Fragen wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Da wird gefragt, was sagen denn die zwei Prozent, die das nicht wollen?“, bemängelte der forschende Kinderonkologe.
„Wir haben theoretisch viele Daten von Erkrankten, aber wir müssen sie auch nutzen können“, findet auch Prof. Angelika Eggert, Einstein-Professorin für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie an der Charité in Berlin. Ein zu rigider Datenschutz verhindere, dass Patientendaten für Studien ausgewertet werden könnten, Bürokratie würde neue Forschungsansätze behindern.
Chancen der Digitalisierung
Prof. Michael Hallek, forschender Onkologe und Arzt sowie u.a. Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, rief dazu auf, die Chancen der Digitalisierung besser zu nutzen: „Wir sind aufgefordert, uns mit den modernen Werkzeugen der Digitalisierung zu beschäftigen.“ Man müsse „aufhören mit den endlosen Diskussionen, über das, was nicht geht, und lieber das machen, was funktioniert.“
Daten schützen und nutzen
Fest steht: Datenaustausch ist für die Krebsbehandlung der Zukunft, die personalisierte Therapie, unerlässlich. Forschung und Versorgung generieren heute so viele Daten wie nie zuvor. Doch für die Diagnose und Therapie wird nur ein kleiner Teil genutzt. Noch fehlt eine flächendeckende und enge Vernetzung zwischen allen Akteuren im Gesundheitswesen. „Ein gutes Beispiel, wie das gelingen kann, ist das Projekt PM4Onco, das das BMBF im Rahmen der Medizin-Informatikinitiative fördert“ betonte Staatssekretärin Judith Pirscher in der Session zur Dekade. PM4Onco will Daten aus der klinischen und der biomedizinischen Forschung integrieren und austauschen.
„Wenn wir am Ende zurückschauen werden, was die Dekade gebracht hat, werden es auch diese infrastrukturellen Maßnahmen sein, wo wir uns anders miteinander vernetzen und Zugang eröffnen zu Daten, Zugang zu Wissen“, sagte die Staatssekretärin.
Patientenbeteiligung auf einem neuen Niveau
Gleichzeitig habe die Dekade gegen Krebs die Patientenbeteiligung in der Krebsforschung auf ein neues Niveau gehoben. „Das ist ein zentrales Anliegen, das wir von Anfang an immer mitgedacht und jetzt schon für Maßnahmen in der NDK etabliert haben“, so Pirscher. Bereits im Jahr 2020 haben 130 Expertinnen und Experten gemeinsam die Prinzipien für eine erfolgreiche Patientenpartizipation in der Krebsforschung erarbeitet.
Der Vision-Zero-Innovationspreis wurde in diesem Jahr zweifach vergeben: An Dr. Titus Brinker (DKFZ) für seine Forschung im Bereich Prävention und seine App zur Hautkrebs-Früherkennung sowie an die Gründerinnen von Melanom Info Deutschland, Astrid Doppler und Katharina Kaminski. Der Verein ist offizieller Unterstützer der NDK und versorgt Deutschlands Hautkrebs-Community via Facebook, Twitter und Instagram mit Informationen.
Ein Gesamtkunstwerk
Auf dem „Vision Zero“-Kongress finde man „viele Gleichgesinnte, die das Gesundheitssystem fit halten wollen, die wollen, dass wir etwas bewegen“, sagt Michael Hallek zum Abschluss des Kongresses. „Vielen Dank für dieses Gesamtkunstwerk.“