Patienten-Symposium zur Krebsimmuntherapie
Immuntherapien werden derzeit verstärkt erforscht und entwickelt, sie sind ein Hoffnungsträger der Onkologie. Der Partner der Dekade, das Cluster for Individualized Immune Intervention (Ci3), informierte dazu in einem Symposium für Betroffene.
Die virtuell abgehaltene Veranstaltung am 12. Mai 2021 war an Patientinnen und Patienten und die allgemeine Öffentlichkeit gerichtet. Das Symposium fand in Begleitung der Jahrestagung der Association for Cancer Immunotherapy (CIMT) statt.
Drei Fachvorträge informierten die Teilnehmenden leicht verständlich über den derzeitigen Stand der Immuntherapie bei Krebs. Neben Ärztinnen und Ärzten und Forschenden kamen Mitarbeitende von Patientenvertretungen sowie Betroffene zu Wort.
Zukunftsträchtiges Forschungsgebiet Immunonkologie
Die ursprüngliche Idee, man müsse die Immunabwehr einfach nur „stärken“, wurde inzwischen durch ausgefeiltere Therapieansätze, so genannte Immuntherapien, ersetzt. Diese können gezielt die Tarnkappen der Tumorzellen lüften und ihre Manipulationen unwirksam machen. Die entsprechenden Wirkstoffe wirken meist an den krebsspezifisch veränderten Proteinen auf den Tumorzellen oder auf De-/Aktivierungsschalter an Immunzellen ein.
Einige Ansätze konnten bereits große Erfolge verbuchen, zum Beispiel zielgerichtete T-Zell-Therapien wie die CAR-T-Zell-Therapie sowie die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren (lat.: inhibitare = hemmen), die sich beim Schwarzen Hautkrebs (Malignes Melanom) und beim Lungenkarzinom etabliert haben.
Diese Therapieformen stellte Prof. Wolfgang Herr, Hämatologe und Onkologe aus Regensburg, in seinem Beitrag vor.
Checkpoint-Hemmer
Checkpoint-Hemmer setzen an einem anderen Manipulationsweg von Tumorzellen an. Diese Wirkstoffe bestehen aus Antikörpern, die Einfluss auf natürliche Kontrollpunkte des Immunsystems nehmen können, die Checkpoints. Checkpoints sollen im gesunden Organismus vorwiegend das Immunsystem dämpfen, um den Körper vor zu heftigen Immunreaktionen und daraus entstehenden Autoimmunerkrankungen zu schützen.
Manche Krebsarten manipulieren diese Checkpoints zu ihrem Nutzen: Sie verstärken deren Bremswirkung noch, um unbehelligt zu bleiben. Die Checkpoint-hemmenden Antikörper können diese Bremsen wieder lockern (sie hemmen die Bremswirkung der Checkpoints), sodass das Immunsystem wieder handlungsfähig wird.
Checkpoint-Inhibitoren sind inzwischen bei einigen Krebsraten im fortgeschrittenen Stadium eine wichtige Therapieoption.
Die Vision: Individuell zugeschnittene Therapien für jeden Erkrankten
Doch nicht alle Betroffenen sprechen gleichermaßen auf eine Immuntherapie an – selbst wenn deren offizielle Diagnose gleich lautet. Das liegt an den vielfältigen Veränderungen in Tumorzellen, die auch bei der gleichen Krebsart individuell ausfallen. Hier sind noch viele Prozesse in Krebszellen zu erforschen. Kennt man entscheidende molekular-genetische Veränderungen, die die Krankheit ausmachen, kann man individuell danach suchen und ein genau zugeschnittenes Medikament designen und herstellen.
Hier setzte der Vortrag von Prof. Dr. med. Dirk Jäger an. Er istGeschäftsführender Direktor des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Heidelberg (NCT) und dort verantwortlich für den klinischen Bereich. Er sei sicher, „die Zukunft wird eine individualisierte Therapie für jeden Kranken und jede Kranke sein, es wird keine Standardtherapie mehr geben.“
Betroffene als Experten einbeziehen
Auch Immuntherapien können schwere Nebenwirkungen haben, die auf die Überreaktion des Immunsystems zurückgehen. Prof. Wolfgang Herr betont, dass sie sich in den meisten Fällen durch eine Cortisontherapie rückgängig machen ließen. Jan Geissler, selbst Krebspatient und Vertreter von Patvocates, einem Think Tank und Beratungsunternehmen für Patientenvertretung, wies jedoch in seinem Vortrag auch darauf hin, dass Betroffene und Ärzte zum Teil völlig verschiedene Präferenzen hinsichtlich der Therapieziele haben.
Dazu gehört u.a. die Priorität, die Patientinnen und Patienten in unheilbaren Situationen oftmals der Lebensqualität geben, auch wenn das u.U. heißt, auf eine lebensverlängernde, aber sehr belastende Behandlung zu verzichten. Er engagiert sich als Strategiekreismitglied auch in der Nationalen Dekade gegen Krebs dafür, dass Patientinnen und Patienten schon in der frühen Forschung eingebunden werden. Derzeit finde Patientenbeteiligung überwiegend erst statt, wenn es in die Versorgung geht. Er sieht noch mehr Potential bei ihrer Beteiligung bereits bei der Formulierung von Forschungsfragen und beim Studiendesign. Die Nationale Dekade, so Geissler, sei hier der Schlüssel zur Verbesserung.
„Krebs ist ein Vollzeitjob“
Eine Patientin, die sehr von der Immuntherapie profitiert, ist Susanne Zsoter. Sie galt bereits als austherapiert, als sie und ihre Angehörigen Informationen zur bestehenden Option einer Immuntherapie recherchierten. Mit dieser Therapie ist ihr Krankheitsstadium inzwischen stabil. Auch sie berichtet von Nebenwirkungen und dass Krebs ein Vollzeitjob sei, man sich ständig selbst um seine Krankheit kümmern müsse. Um das leichter zu machen, hat sie eine open source App entwickelt, mit der sich Nebenwirkungen, alle Behandlungsdokumente sowie die Tabletteneinnahme einfacher und digital managen lassen. Außerdem teilt sie ihre Erfahrungen als Bloggerin mit anderen Betroffenen.
Vorsorge stärken und über Krebs in der Familie sprechen
Der beste Weg ist, Krebs gar nicht erst entstehen zu lassen, so das Motto von Dr. Christa Maar, Vorständin und Gründerin der Felix Burda Stiftung gegen Darmkrebs. Ihr Sohn Felix verstarb in jungem Alter an dieser Erkrankung. Die Stiftung möchte darauf aufmerksam machen, dass mit rechtzeitiger Vorsorge niemand mehr an Darmkrebs sterben muss. Darmkrebs sei noch immer ein Tabu, das mache es schwer z.B. auch über familiäre Risikoerhöhung zu sprechen, sagt Maar.
Für mehr Aufmerksamkeit für Vorbeugung und Früherkennung engagiert sich Christa Maar auch im Strategiekreis und der Arbeitsgruppe Prävention der Nationalen Dekade gegen Krebs.
„Wir hoffen, Wege weisen zu können.“
Die Abschlussworte fand Özlem Türeci, Vorständin von Ci3 sowie CIMT. Frau Türeci ist Medizinerin und gilt als Pionierin im Bereich der Krebsimmuntherapie.
Sie ist ebenfalls Mitglied im Strategiekreis der Nationalen Dekade gegen Krebs und sprach den Beteiligten der Veranstaltung ihren Dank aus. Susanne Zsoter sei ein Beispiel dafür, „dass Patienten machen und nicht nur mit ihnen gemacht wird“. Sie schloss das Symposium mit den Worten: „In der Nationalen Dekade gegen Krebs gehen wir zusammen, da uns allen das Gleiche am Herzen liegt: Der Patient.“