Online-Treffen zur Patientenbeteiligung in der Forschung
Betroffene bringen eine einzigartige Sicht in die Forschung ein. Die Trio-Ratspräsidentschaft der EU hat ihre Einbindung auf die Agenda gesetzt. Nun fand ein Online-Forum zwischen Forschenden und an Krebs Erkrankten statt – als Auftakt einer Serie.
Das EU-Ratspräsidentschafts-Trio Deutschland, Portugal und Slowenien unterstützt im Rahmen der Deklaration: Europa gemeinsam gegen Krebs die Patientenbeteiligung in der Krebsforschung. Damit es zu einer echten Partnerschaft zwischen Patientinnen und Patienten sowie Forschenden kommt, braucht es den verstärkten Dialog.
Auf Initiative portugiesischer und europäischer Patientennetzwerke fand nun am 23. Juni ein Online-Forum statt. Dort trafen Vertreterinnen und Vertreter portugiesischer und europäischer Patientenorganisationen und Forschungsinstitute zusammen. Sie befassten sich damit, wie Partnerschaften zwischen Betroffenen und Wissenschaftlern dazu beitragen können, bessere Fragen zu stellen, Forschungsdesigns zu verbessern und die Translation von Forschungsergebnissen in die Klinik zu beschleunigen. Die Online-Veranstaltung war der Auftakt zu einer Reihe von Veranstaltungen und soll die Patientenbeteiligung in der medizinischen Forschung voranbringen.
Viele europäische Organisationen waren beteiligt
Neben portugiesischen Patientenorganisationen und -netzwerken wie der Plataforma Saúde em Diálogo, EVITA Cancro (EVITA -Hereditary Cancer Related Genes Mutation Carriers Patient Support Association), der portugiesischen Multiple-Sklerose-Gesellschaft, der portugiesischen Nationalen Schule für öffentliche Gesundheit und der Champalimaud Stiftung/ Uveal Melanoma (UM) Cure 2020 Konsortium, nahmen auch Vertreterinnen und Vertreter der European Patients' Academy on Therapeutic Innovation (EUPATI) teil.
EUPATI
ist eine europäische gemeinnützige Stiftung, die private und öffentliche Stakeholder vereint, um Studienbeteiligte, z.B. Patientinnen und Patienten zu schulen und zur Beteiligung auf Augenhöhe zu befähigen.
Jan Geissler, Strategiekreismitglied der Dekade gegen Krebs und sechs Jahre Direktor von EUPATI, war mit einem Vortrag zum Kapazitätsaufbau und politischem Willen als Schlüsselfaktoren der patientenrelevanten Forschung vertreten.
Das Online-Forum ist auch eine Antwort auf die Herausforderung, der sich Patientenvertreterinnen und -vertreter des Melanoma Patient Network Europe (MPNE) und der Arbeitsgruppe der europäischen Krebspatientennetzwerke (WECAN) im Kontext der jüngsten Fortschritte in Europa stellen. Sie zielt darauf ab, eine gemeinsame und konstruktive Reflexion über die unterschiedlichen Möglichkeiten der Einbindung von Patientinnen und Patienten in die Forschung zu ermöglichen.
Das Melanoma Patient Network Europe
wurde gegründet von Dr. Bettina Ryll. Die medizinisch ausgebildete und promovierte Molekularbiologin ist auch Mitglied des Cancer Mission-Boards der Europäischen Kommission und setzt sich für zahlreiche Initiativen zu Evidenzbasierter Patientenanwaltschaft ein. Sie brachte in ihrem Beitrag die Begeisterung für das enorme Potential und die Möglichkeiten von Patienten-Netzwerken zum Ausdruck, um Betroffene zu schulen und zu unterstützen sowie Daten an ihrer eigentlichen Quelle zu erheben – bei den Patientinnen und Patienten selbst – und so Evidenz in solcher Qualität und Vielfalt zu generieren, wie es für Außenstehende niemals möglich wäre.
Die Workgroup of European Cancer Patient Advocacy Networks (WECAN)
ist eine Organisation, die Patientinnen und Patienten für die Mitarbeit in der Forschung fit macht, Jan Geissler ist Präsident.
EINDRÜCKE AUS DER VERANSTALTUNG
Dr. Ryll berichtete von Antworten auf ihre eigene kleine Umfrage auf Twitter, warum man Betroffene in der Forschung einbeziehen sollte. Diese reichten von „Das macht es real, fördert Transparenz, sorgt für patientenrelevante Fragestellungen“ bis hin zu „Patienten können Forschungsinitiativen bekannt machen und unterstützen. Politiker, Geldgeber und die Öffentlichkeit hören hin, was sie zu sagen haben, denn man traut ihnen.“ Aus ihrer Sicht gäbe es auch nicht das eine große Problem, das es zu lösen gelte, dafür seien die Erkrankten, deren Krankheitsstadien und -untertypen zu unterschiedlich. Dafür sei die Vielzahl der Hintergründe, über die Betroffene verfügen, ein großes Kapital, um out-of-the-box Lösungen zu finden. Zudem seien Patientenorganisationen gewohnt, ein kleines Budget mit Einfallsreichtum wett zu machen.
Das Schlusswort hatte Dr. Matthias von Witsch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Er erwähnte die Bottom-Up-Initiative des BMBF, in der internationale Patientenorganisationen, Krebsforschung und partizipative Forschung Vorschläge gesammelt und intensiv diskutiert haben, wie der Gewinn der Einbindung von Patientinnen und Patienten in die Krebsforschung für alle Beteiligten maximiert werden kann.
Die von den Teilnehmenden aufgebrachten Punkte wurden in einem Prinzipien-Papier (PDF, 532kB, Datei ist nicht barrierefrei) festgehalten. Das Papier wird am 7. September im Rahmen einer virtuellen Konferenz des Ratspräsidentschafts-Trios offiziell vorgestellt. Es soll nun europaweit Anhaltspunkte für Umsetzungspartner aus Forschung und Politik bieten, die in ihrem regionalen oder nationalen Umfeld die Patienteneinbindung stärken möchten.
Dr. von Witsch unterstrich die Wichtigkeit der Patientenbeteiligung in Deutschland, auch in der Nationalen Dekade gegen Krebs: „In Deutschland unterstützen wir schon lange die Patientenbeteiligung. Wir als Bundesforschungsministerium fordern die Forschenden aktiv dazu auf, Patientinnen und Patienten in die Projekte mit einzubeziehen. Frameworks und Mindsets ändern sich natürlich nur, wenn die Politikebene diese Änderungen auch vorsieht. Doch sie kann nur bis zu einem bestimmten Punkt wirken. Entscheidend sind letztendlich die Aktionen von regionalen und nationalen Umsetzungspartnern aus Forschung und Patientenschaft vor Ort.“
Von Witsch appellierte an alle an der Krebsforschung Beteiligten: „Unsere tiefste Überzeugung ist es, dass Patientenbeteiligung in der Krebsforschung den Nutzen dieser Forschung erhöht. Das allein ist genug Motivation für das Ministerium weiter zu machen und sollte genug Motivation für andere sein, konkrete Aktionen zu starten.“