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PEARL - Prävention von Darmkrebs bei jungen Erwachsenen

Darmkrebs unter 50 Jahren wird häufiger. Das BMBF fördert nun im Rahmen der Dekade gegen Krebs Forschungsverbünde, um den Gründen dafür auf die Spur zu kommen und Präventionsmöglichkeiten auszuloten.

Darmkrebs galt lange als typische Alterskrankheit, da sie nach dem 50. Lebensjahr deutlich häufiger auftritt. Seit Beginn der Jahrtausendwende ist jedoch ein beunruhigender Trend zu beobachten: In vielen Ländern nimmt die Zahl der Darmkrebsneuerkrankungen bei jüngeren Erwachsenen kontinuierlich zu. Besonders ausgeprägt ist der Anstieg bei den 20- bis 29-Jährigen mit einer jährlichen Steigerungsrate von fast acht Prozent.

Expertinnen und Experten befürchten, dass ein bereits in jüngeren Jahren erhöhtes Darmkrebsrisiko das Erkrankungsrisiko in den späteren Lebensjahren noch weiter in die Höhe treibt. Das könnte zur Folge haben, dass in den kommenden Jahrzehnten die Zahl der Darmkrebserkrankungen stark steigt.

Abgebildet ist ein mit Knetmasse nachgebildeter menschlicher Darm. Pearl Artikelbild
© Adobe Stock/9dreamstudio

Ein durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Verbundprojekt will nun klären, warum Menschen bereits im frühen Lebensalter Darmkrebs bekommen und wie das zu verhindern ist. Das Projekt trägt den Namen PEARL. Das steht für „Preventing early onset colorectal cancer“, zu Deutsch: „Prävention von Darmkrebs bei jungen Erwachsenen“.

Was macht man in einer Fall-Kontrollstudie?

Bei diesem Studientyp werden Personen, die eine bestimmte Erkrankung haben (die „Fallgruppe“) verglichen mit Personen, die ihnen möglichst ähnlich, aber nicht erkrankt sind.

Für beide Gruppen wird erhoben, inwieweit sie in der Vergangenheit mit vermuteten Risikofaktoren in Berührung gekommen sind. Zeigt sich, dass die Erkrankten häufiger einem bestimmten Einflussfaktor ausgesetzt waren, ist das ein erster Hinweis darauf, dass dies etwas mit dem Krebsgeschehen zu tun hat.

Beobachtete Zusammenhänge (das könnte z. B. sein, dass Erkrankte häufiger übergewichtig waren) müssen mit anderen Studientypen weiter geprüft werden. Ob — wie im Beispiel — das Übergewicht ursächlich für die Krankheit war, lässt sich so noch nicht sagen.

Koordiniert werden die Fall-Kontroll-Studie und das Forschungsnetzwerk durch Prof. Dr. Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum, Themenpate der AG Prävention der Nationalen Dekade gegen Krebs.

Die Arbeitsgruppe hatte zu Beginn der Dekade gegen Krebs Handlungsempfehlungen für die wichtigsten Aspekte der Krebsprävention erarbeitet und das Phänomen der ansteigenden Zahl von Darmkrebs bei jüngeren Menschen als eine prioritär anzugehende Forschungsfrage definiert.

Um dem zu begegnen, hat das BMBF 2021 eine Richtlinie zur Förderung von Forschungsverbünden zur Prävention von Darmkrebs in jüngeren und künftigen Generationen ausgeschrieben.

PEARL ist eines von vier ausgewählten Konsortien, das im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs durch BMBF mit insgesamt 2,81 Mio. Euro gefördert wird; zunächst für vier Jahre und bis maximal acht Jahre.

Weitere Forschungsprojekte aus der Förderrichtlinie

Mi-EOCRC

Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs wird die Rolle der Darmbakterien bei Darmkrebs untersucht. Mit mehr Wissen könnten wahrscheinlich krebsfördernde mikrobielle Prozesse besser verhindert und therapeutisch positiv beeinflusst werden. Mehr

PerMiCCion

Auch dieser Verbund will im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs tiefer in die Welt unserer Darmbakterien eindringen. Das Ziel: die Verbesserung von Prävention, Diagnose, Therapieerfolg sowie Lebensqualität bei jungen Darmkrebsbetroffenen. Mehr

OUTLIVE-CRC

Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs sollen hier die Möglichkeiten zur Rückfallprophylaxe bei Darmkrebsbetroffenen der jüngeren und künftigen Generationen erforscht werden. Mehr

Vertiefung bereits bestehender Erkenntnisse mit Fokus auf Jüngere

Viele Studien haben bereits Hinweise auf Risikofaktoren bei Darmkrebs gegeben. Vermutlich spielen bestimmte Ernährungsweisen, ein zu hohes Körpergewicht, wenig körperliche Bewegung und zum Beispiel Rauchen sowie Alkohol eine Rolle.

In PEARL sollen nun gezielt mehr Details zur Darmkrebsentstehung in der jüngeren Altersgruppe aufgedeckt werden. Die Forschenden wollen entsprechende Zusammenhänge hinsichtlich des Lebensstils sowie weiteren Einflüssen erfassen und quantifizieren. Die genauere Kenntnis, welche Risikofaktoren eine große Rolle spielen und die damit verbundenen Veränderungen, die sich in den Bioproben erfassen lassen, sollen die Entwicklung gezielter Präventions- und Früherkennungsstrategien ermöglichen.

Im September 2022 startet die Fall-Kontrollstudie PEARL in den fünf Bundesländern: Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Bayern und Baden-Württemberg. Zunächst werden erkrankte Personen über Darmkrebszentren, Social Media, Vereine, Register und Stiftungen kontaktiert, um sie als Teilnehmende zu gewinnen. Angesprochen werden Erkrankte zwischen 18 und 49 Jahren, bei denen die Diagnose nicht länger als ein Jahr zurückliegt. Für die Kontrollgruppe sollen nicht erkrankte Personen aus ihrem Umfeld rekrutiert werden. Das können z.B. Partner, Geschwister, Cousin/Cousine oder auch enge Freunde sein.

Der PEARL-Verbund teilt sich in drei Unterprojekte mit verschiedenen Forschungsschwerpunkten auf.

Subprojekt 1: Erhebung und Nutzung von Daten und Biobanken von jungen Darmkrebsbetroffenen

Im Rahmen einer deutschlandweiten Fall-Kontroll-Studie werden an Darmkrebs erkrankte sowie nicht an Darmkrebs erkrankte Personen rekrutiert. Alle rekrutierten Teilnehmenden werden gebeten, online einen Fragebogen auszufüllen sowie Stuhl- und Blutproben für weitergehende Analysen zur Verfügung zu stellen. In den Proben wird u.a. nach Biomarkern gesucht, die auf ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs hinweisen und die in Subprojekt 3 zur umfassenden Bewertung von neuen Früherkennungsstrategien genutzt werden könnten (was sind Biomarker und wie nützen sie in der Früherkennung?).

Um den Krankheitsverlauf bei den Patientinnen und Patienten weiter zu beobachten, werden bei ihnen in regelmäßigen Abständen Nachbeobachtungserhebungen durchgeführt, zum einen über Abgleiche mit Krebsregistern und Rechenzentren der Einwohnermeldeämter sowie über Anfragen direkt an die Betroffenen zum Verlauf der Erkrankung und Einschätzung ihrer Lebensqualität.

Da Darmkrebs trotz steigender Neuerkrankungen bei jungen Erwachsenen selten ist — nur etwa fünf Prozent aller Fälle treten vor dem 50. Lebensjahr auf — greifen die Forschenden auch auf große Darmkrebsstudien und -register zurück, um die erforderlichen Fallzahlen für eine statistisch belastbare Aussagekraft zu erhalten.

Subprojekt 2: Welche molekularen Subtypen spielen bei Darmkrebs im jungen Alter eine Rolle?

Wie bei vielen anderen Krebsarten gibt es bei Darmkrebs verschiedene Unterformen, „molekulare Subtypen“ genannt. Diese unterscheiden sich in den Veränderungen der Krebszellen, bspw. des Genoms oder des Proteoms. Die Kenntnis des vorliegenden Subtyps bei einem Betroffenen kann entscheidend sein, um die richtige Therapie anzuwenden. Die unterschiedlichen Subtypen entwickeln sich auch auf unterschiedliche Weise. Sie werden zum einen vermutlich von unterschiedlichen Risiko-erhöhenden Faktoren begünstigt und nutzen zum anderen auch unterschiedliche Mechanismen bei der Krankheitsentstehung.

Die an PEARL beteiligten Forscherinnen und Forscher vermuten, dass bei Erkrankungen im jüngeren Alter bevorzugt bestimmte Darmkrebs-Subtypen eine Rolle spielen. Diese wollen sie identifizieren und die Art, wie sie entstehen und wachsen bzw. was sie fördert, genau unter die Lupe nehmen. Dazu bedienen sie sich einer Kombination neuer molekularpathologisch-epidemiologischer Methoden und Ansätze der künstlichen Intelligenz.

Dabei analysieren die Fachleute für Epidemiologie die Wechselbeziehungen zwischen Risikofaktoren, denen eine Person(engruppe) ausgesetzt ist und Veränderungen, die auf unterschiedlichen Ebenen in deren Körper auftreten (siehe oben z.B. im Genom, dem Mikrobiom etc.).

Subprojekt 3: Entwicklung von Präventionsstrategien auf Basis der Ergebnisse der vorangegangenen Subprojekte

Diese Forschungsgruppe widmet sie sich einer weiteren durch die AG Prävention als prioritär identifizierten Forschungsfrage: Lässt sich die (in diesem Fall speziell in jungen Jahren auftretende) Erkrankung mithilfe personalisierter, also mit einer an das Risiko einer Person angepassten Präventionsmethode verhindern?

Hierfür ist es wichtig, die molekularen Besonderheiten der Darmkrebserkrankungen bei unter 50-Jährigen zu kennen; ebenso wie die Faktoren, die dazu führen, dass die Erkrankung begünstigt oder ausgelöst wird.

Damit die Studie auf genügend Daten beruht und somit statistisch verlässlich ist, wird das Subprojekt 3 die Ergebnisse aus multidisziplinären epidemiologischen Studien - integrieren, um neue Strategien der Primär- und Sekundärprävention zu entwickeln.

„Am Ende ist unser Ziel, Möglichkeiten der personalisierten Prävention zu identifizieren und damit zu verhindern, dass Menschen im jungen Alter mit der furchtbaren Diagnose Darmkrebs konfrontiert werden“, bringt Hermann Brenner die Intentionen des Forschungsverbunds auf den Punkt.

Am PEARL-Forschungsverbund beteiligt sind das Deutsche Krebsforschungszentrum DKFZ sowie die Universitäten Heidelberg, Mainz, Köln, Bonn und Dresden.

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