Mehr Lebensqualität und weniger Rückfälle bei Darmkrebs
Das Verbundprojekt OUTLIVE-CRC will im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs die Möglichkeiten zur Rückfallprophylaxe bei Darmkrebsbetroffenen der jüngeren und künftigen Generationen erforschen.
Um dem Anstieg kolorektaler Karzinome (engl.: Colorectal Cancer, kurz: CRC) bei jüngeren Menschen zu begegnen, hat die Arbeitsgruppe Prävention der Nationalen Dekade gegen Krebs die Erforschung zu Ursachen und Präventionsmöglichkeiten als dringlich herausgearbeitet.
Die BMBF-Richtlinie „Förderung von Forschungsverbünden zur Prävention von Darmkrebs in jüngeren und künftigen Generationen“ unterstützt nun im Rahmen der Dekade gegen Krebs interdisziplinäre Forschungsverbünde, die Forschungskapazitäten dazu zusammenführen. Ausgewählt wurde u.a. das Verbundprojekt OUTLIVE-CRC, das die Prognose und Lebensqualität junger Patientinnen und Patienten (bis 50 Jahre) nach Darmkrebs verbessern will.
Besonderheit bei jungen Krebserkrankten
Junge Betroffene haben nach der Behandlung noch ein langes Leben vor sich. Nachsorgende Darmspiegelungen gehen ebenso mit einer hohen Belastung einher, wie das Wissen, dass der Krebs zurückkehren kann.
Erforschung der Ursachen und möglicher Präventionsmaßnahmen
Bei rund 95 Prozent der Darmkrebserkrankungen treten lange im Vorfeld sporadische Genveränderungen in einzelnen Zellen des Darms auf, die zu Krebs führen können. Lebensgewohnheiten wie Rauchen, Alkoholkonsum, Fehlernährung, Adipositas und geringe körperliche Aktivität, aber auch chronische Entzündungen im Darm können dies befördern. Auch Alterungsprozesse im Körper spielen eine Rolle. Mehr Kenntnisse darüber eröffnen Ansatzmöglichkeiten zur Vorbeugung (Primärprävention), Früherkennung (Sekundärprävention) und Vermeidung eines Rückfalls (Tertiärprävention).
Was die Forschenden erreichen wollen
Das Verbundprojekt wird Instrumente zur Tertiärprävention entwickeln. Hierzu zählen Multimarker-Modelle, um das Wiederauftreten von Darmkrebs bei jüngeren Menschen früh zu erkennen. Zudem will es erforschen, ob sich ein Rückfall durch Ernährungsmedizin vielleicht sogar verhindern lässt. Dafür bedienen sich die Forschenden kombinierter Ansätze der funktionellen Multi-Omics-Analyse (s. Kasten) sowie der Entwicklung von Biomarker-Modellen.
Wie gehen sie dabei konkret vor?
Möglichst schonend: Flüssigbiopsie
Für die Analyse der Tumoreigenschaften wird auf Flüssigbiopsien („Liquid Biopsy“) zurückgegriffen, bei denen schonend für die zu Untersuchenden nur etwas Blut benötigt wird. Dieses wird untersucht auf auffällige Messwerte, die womöglich auf Krebs hinweisen (so genannte Biomarker).
Stuhlproben: Wichtig für die Darmkrebsforschung
Ein Aufspüren solcher Marker, die Krebs oder Entzündungsvorgänge anzeigen, ist auch in Stuhlproben möglich – ebenfalls ein schonendes Vorgehen. Das gibt auch Aufschlüsse über das Mikrobiom (Gesamtheit der Darmbakterien einer Person), das Tumorwachstum befeuern, aber auch einen schützenden Effekt haben kann.
Entwicklung geeigneter Methoden
Zunächst müssen geeignete Biomarker gefunden und evaluiert werden. Ein guter Marker zeichnet sich dadurch aus, dass er auf die Rückkehr des Tumors schließen lässt, noch bevor dieser durch andere Verfahren wie Bildgebung erfasst werden kann oder Symptome verursacht. So könnte schon frühzeitig eine Behandlung begonnen werden, um den Krebs wieder zurückzudrängen.
Wichtig ist, dass der Marker den wachsenden Krebs früh entdeckt, aber nicht zu häufig einen Fehlalarm auslöst. Hierfür ist es sinnvoll, mehrere Marker und weitere Werte des Patienten zu kombinieren. An einem solchen Multi-Biomarker-Modell arbeitet OUTLIVE-CRC, unter Einbeziehung von Methoden der künstlichen Intelligenz – denn Omics-Analysen produzieren sehr große Datenmengen, in denen Zusammenhänge nicht mehr durch einen einzelnen Menschen erfassbar sind.
Parallel braucht es entsprechende Analysemethoden und -geräte. Um dies für die spätere Anwendung praxistauglich zu machen, wollen die Forschenden die Liquid-Biopsy-Analyse mikrofluidisch automatisieren und durch Einbeziehung selbstlernender Systeme in Zukunft treffsicher, schnell und kostengünstig und damit für möglichst viele Betroffene verfügbar machen.
Prophylaxe durch Ernährung
Es ist bekannt, dass bestimmte Nährstoffe die Entstehung von Darmkrebs fördern. Hierbei spielen u.a. chronische Entzündungen im Zusammenhang mit der westlichen Ernährung eine Rolle. Die Verbundpartner hoffen, durch die Erforschung des Darm-Stoffwechsels Möglichkeiten für gezielte Ernährungsinterventionen zu eröffnen.
Individueller Darm im Reagenzglas
Mithilfe von Darmzellen einzelner Betroffener (d.h. personalisiert) werden in der Petrischale Strukturen mit gewissen Darmfunktionalitäten herangezüchtet (so genannte Organoide). Stoffe, die aufgrund der Ernährungsweise natürlicherweise im Darm frei werden oder entstehen, können in ihrer Wirkung an den „Mini-Organen“ getestet werden. Dem lassen sich die individuellen Eigenschaften des Darms des Betroffenen aus den Omics-Analysen zuordnen. Das hilft zu sehen, welche Betroffene von einer therapeutischen oder präventiven Ernährungsmaßnahme profitieren könnten und welche nicht.
Zum anderen lassen sich an ihnen die Effekte des Alterns nachverfolgen. Auch hier lassen sich u.U. Präventionsmöglichkeiten finden. Man weiß inzwischen, dass das chronologische (also das Lebens-)Alter nicht immer dem biologischen Alter (dem tatsächlichen Zustand des Organismus) entspricht Diese Eigenschaften finden sich auch in den Krebszellen wieder. Wie sich das beeinflussen lässt, ist ebenfalls ein Forschungsthema von OUTLIVE-CRC.
Die Verbundpartner
Am Forschungsverbund beteiligt sind Forschende der Universität zu Lübeck & des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) am Campus Lübeck, des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg und der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. in Freiburg sowie das Startup-Unternehmen Perfood GmbH in Lübeck.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Zu den Teams gehören Spezialistinnen und Spezialisten aus unterschiedlichen Disziplinen wie Onkologie, Ernährungsmedizin, Gastroenterologie, Chirurgie, Epidemiologie, Systembiologie, Mikrofluidik und digitale Therapeutika.
Patientenbeteiligung
Um Verbesserungen der Teilhabe am beruflichen und sozialen Leben zu erreichen, wird das Teilprojekt „Patientenbeteiligung“ des Verbunds daher Betroffene und deren Angehörige mittels hochgradig komplexer verbundinterner Kommunikation und Kooperation einbeziehen. Die Beteiligung erfolgt in den Teilprojekten in verschiedenen Abstufungen, z.B. in Form von Beratung, Mitwirkung oder Zusammenarbeit.