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Forschung zu Mikrobiom und Darmkrebs

Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs wird die Rolle der Darmbakterien bei Darmkrebs untersucht. Mit mehr Wissen ließen sich wahrscheinlich krebsfördernde mikrobielle Prozesse für Prävention oder Therapieoptimierung positiv beeinflussen.

Das Mikrobiom (auch: Mikrobiota) – damit ist die Vielzahl von Mikroben gemeint, die den menschlichen Darm besiedeln. Jede Mikrobenart bewirkt im Darm etwas anderes. Einige beeinflussen beispielsweise die Immunabwehr, andere helfen dem Körper, schwer verdauliche Nährstoffe aufzuspalten oder nicht von ihm herstellbare essentielle Vitamine oder kurzkettige Fettsäuren aus der Nahrung zu gewinnen. Eine der entscheidenden Aufgaben von Darmbakterien ist die Modulation des Kohlehydrat- und Lipidstoffwechsels und die Aufrechterhaltung der Barrierefunktion des Darms. Ist sie gestört, kann dies u.a. Beeinträchtigungen der Immunabwehr sowie Entzündungen bewirken.

Ein Forschungsverbund will unter dem Vorhabenstitel „Mikrobiota-basierte Prävention von Darmkrebs bei jungen Menschen“ (Kurz: Mi-EOCRC) erforschen, wie das Mikrobiom Darmkrebs wachsen lässt und wie sich diese Prozesse womöglich beeinflussen lassen. „Mi“ steht dabei für „Mikrobiom“ und „EOCRC“ für „early onset colorectal cancer“, also für eine in frühem Lebensalter auftretende Krebserkrankung im Dick- (engl.: Colon) oder Mastdarm (engl.: Rectum).

Die Förderung erfolgt durch die BMBF-Richtlinie zur Förderung von Forschungsverbünden zur Prävention von Darmkrebs in jüngeren und künftigen Generationen.

Umwelt- und Lebensbedingungen verändern Mikrobiom
Die Zusammensetzung des Mikrobioms ­(so genannte Mikrobiota-Signatur) ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Doch Lebensgewohnheiten können großen Einfluss darauf nehmen, insbesondere die Ernährung und das Ausmaß körperlicher Aktivität.

Unausgeglichene Zusammensetzung des Mikrobioms macht krank
Nehmen bestimmte Bakterien überhand, kann das bestimmte Krankheiten befeuern, die mit Entzündungen und einem erhöhtem Krebsrisiko einhergehen, wie Adipositas (starkes Übergewicht). Die Darmflora ist auch in der Lage, die körpereigene Abwehr zu modulieren.

Zwischen chronischen Entzündungen und Krebs gibt es enge Zusammenhänge (mehr dazu im Podcast mit dem Krebsimmunologen Mathias Heikenwälder). So können insbesondere Entzündungen in der Mikroumgebung des Tumors dazu führen, dass bestimmte Immunzellen das Krebswachstum unterstützen.

Darmkrebs und Lebensstil

Während die Zahl der Darmkrebserkrankungen bei Älteren (ab 50 Jahren) in den letzten drei Jahrzehnten kontinuierlich gesunken ist, zeigt sich bei den unter 50-Jährigen ein gegenläufiger Trend mit einer Verdopplung der Zahlen innerhalb des gleichen Zeitraumes.

Daten zeigen, dass hierbei Lebensstil-Faktoren wie zunehmender Inaktivität, Übergewicht und („typisch westliche“) fett- und proteinreicher sowie ballaststoffarmer Ernährung eine entscheidende Bedeutung zukommt. Den genauen Zusammenhang und ob es Einflussmöglichkeiten gibt, wollen die Forschenden nun im Rahmen der Dekade gegen Krebs untersuchen.

Einige Elemente der Mikrobiota können schützend, andere krankheitsförderlich wirken
Es gibt deutliche Hinweise aus der bisherigen Forschung, dass bestimmte bakterielle Erreger eine zentrale Rolle spielen in der Entwicklung von Darmkrebs. Erhalten beispielsweise Tiere mit einem hohen genetisch bedingten Darmkrebsrisiko fettreiche Kost, führt das zu einer Darmbarriere-Störung. Schädliche Bakterien können dann in die Darmschleimhaut im Bereich von Darmkrebsvorstufen (Polypen) eindringen und darüber Entzündungsvorgänge auslösen und die Krebsentwicklung befördern.

Stuhl-Analysen zeigen bei Menschen mit Darmkrebs eine Anreicherung von bestimmten Mikroben, deren Zunahme im Darm als Reaktion auf eine ungesunde Ernährung (viel Fleisch- und Fett) gedeutet wird. Diese schädlichen Spezies bauen Eiweiße und bestimmte Zucker (Mucine) aus der Schutzschicht (Mucin-Schicht) der Darmschleimhaut ab. Das schwächt die Barriere und Bakterien können in die Innenseite der Darmzellschicht eindringen und Entzündungen verursachen.

Darüber hinaus ist bei verstärkter Anwesenheit derselben Bakterien bei Betroffenen ein erhöhtes Rückfallrisiko und ein schlechteres Ansprechen auf manche Chemotherapien zu beobachten, was mit geringeren Überlebenschancen einhergeht.

Während eine ungünstige Mikrobiota ein Krankheitsfortschreiten antreiben kann, ist eine günstige Mikrobiota imstande, z.B. die Barrierefunktion des Darms zu verbessern. So können die von einigen Darmbakterien produzierten kurzkettigen Fettsäuren bestimmte Enzyme herunterregulieren, die bei Entzündungen verstärkt produziert werden. Dies stabilisiert die Darmbarriere und wirkt antientzündlich. Die Verwertung von Ballaststoffen durch die Mikrobiota und die daraus resultierenden Stoffwechselprodukte sorgen ebenfalls für eine Stärkung der Darmbarriere - während Weißmehl, Zucker, Alkohol und frittierte Speisen sich eher ungünstig auswirken.

Übersicht über die von Mi-EOCRC adressierten Ziele und Einzelprojekte. Mi-EOCRC_Schaubild
Forschende untersuchen, ob und wie sich das Mikrobiom bei jungen Menschen nutzen lässt, um ihr Risiko für frühen Darmkrebs (EOCRC) abzuschätzen oder den Krebs rechtzeitig zu erkennen. Und ob gezieltes Eingreifen ins Mikrobiom den Krebs verhindern bzw. die Therapie darauf abgestimmt werden könnte. © smart.servier.com

Fokus auf junge Betroffene und zukünftige Generationen
Bisherige Forschung fokussiert fast ausschließlich auf Darmkrebs in höherem Lebensalter. Die Forschenden des Projektes MI-EOCRC wollen nun mit ihrem Vorhaben auch die Rolle des Mikrobioms in der Entstehung und dem Fortschreiten von Darmkrebs bei jungen Menschen untersuchen und die komplexen Wechselwirkungen zwischen Körper und Mikrobiom besser verstehen.

Was wollen die Forschenden herausfinden?
Im Projekt soll erforscht werden, welche mikrobiellen Erreger bei jungen Darmkrebs-Betroffenen eine Rolle spielen. Dabei orientiert sich die Arbeit an diesen Fragen: Kann man das Krebsrisiko eines Menschen aus seinem Mikrobiom ableiten – vielleicht schon vor dem Ausbruch der Erkrankung oder auch, um einen Rückfall vorherzusagen? Lässt sich hierauf durch gezielte Interventionen Einfluss nehmen und der Krebs bzw. sein Wiederausbruch verhindern? Kann man durch gezielte Ernährung womöglich auch das Ansprechen auf Therapien verbessern?

Wie gehen die Forschenden konkret vor?

In fünf Unterprojekten werden unterschiedliche Aspekte adressiert.

Subprojekt 1
Es wird der diagnostische Wert der Zusammensetzung des Mikrobioms für die Früherkennung von Darmkrebs und die Ermittlung des individuellen Risikos (Risikostratifizierung) von Personen mit risikoreicher Ernährung und familiären Risikofaktoren für eine frühe Darmkrebsentwicklung untersucht. Dabei soll geprüft werden, welche Veränderungen des Mikrobioms mit Darmkrebs bei jungen Personen einhergehen.

Subprojekt 2
Die Forschenden übertragen die Mikrobiota von Betroffenen in Mäuse, deren Darm keine eigenen Bakterien aufweist. So kann das menschliche Mikrobiom übertragen und erforscht werden. Spezielle Schweine, die aufgrund ihres Erbgutes ein sehr hohes Risiko haben, früh Darmkrebs zu entwickeln, dienen ebenfalls als Modell zur Untersuchung der Mikrobiota und ihrer schützenden oder Tumor-begünstigenden Wirkung. Zudem wird das Mikrobiom Betroffener in der Petrischale kultiviert und Tests unterzogen. All das ermöglicht es, verschiedene Interventionen (z.B. Diäten) auf ihre tumorregulierende Wirkung bereits vor einem Einsatz beim Menschen zu untersuchen. Die dabei auftretenden Veränderungen des Mikrobioms können mit verschiedenen Methoden analysiert werden. Eine davon ist die Metabolitenanalyse (Metabolomics) – Metaboliten, das sind Stoffwechsel-Zwischenstufen oder Abbauprodukte, die in jeder Zelle entstehen; auch sie sind bei Krebs verändert und lassen sich so identifizieren.

Subprojekt 3
Auf der Grundlage dieser Daten sollen Strategien zur Prävention von frühem Darmkrebs geprüft und Marker identifiziert werden, die eine Einschätzung des individuellen Darmkrebsrisikos erlauben. Marker sind Stoffe, die natürlicherweise im Körper vorkommen und durch ihre Zu- oder Abnahme auf eine Krankheit hinweisen. Zudem sollen therapeutische Interventionen entwickelt werden, um in die Mikrobiom-Zusammensetzung in schützender Weise einzugreifen.

Subprojekt 4
Parallel soll das Voranschreiten des Tumors und der Metastasierungsprozesse mit Blick auf Mikrobiota-Veränderungen weiter entschlüsselt werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen herausfinden, ob sich die Analyse der Mikrobiom-Zusammensetzung für eine prognostische Einschätzung der Rückfallwahrscheinlichkeit in der Tertiärprävention von Darmkrebs einsetzen lässt. Als Tertiärprävention bezeichnet man die Verhinderung bzw. das frühe Erkennen von Rückfällen nach erfolgter Krebsbehandlung.

Subprojekt 5
Diese Arbeiten werden begleitet von einem Teilprojekt, das sich der Entwicklung von Kommunikationsstrategien und der Koordination des Konsortiums widmet. Ziel ist die Entwicklung und Umsetzung einer Kommunikationskampagne zum Thema "Darmkrebs bei jungen Menschen".

An dem Konsortium beteiligt sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

- des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) Heidelberg,

- der Technischen Universität München,

- der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule,

- des Universitätsklinikums Aachen,

- der Technischen Universität Dresden,

- des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein Kiel, der Universitätsmedizin Rostock.

Partner und Unterstützer