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Forschung zu Wechselwirkungen zwischen Darmkrebs und Darmmikrobiom

Der Forschungsverbund PerMiCCion will im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs tiefer in die Welt unserer Darmbakterien eindringen. Ziel: Verbesserung von Prävention, Diagnose, Therapieerfolg sowie Lebensqualität bei jungen Darmkrebsbetroffenen.

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Betrachtet man die Zellen, die auf und in einem Menschen leben, bestehen wir zu nur etwa 43 Prozent aus menschlichen Zellen, der Rest ist eine große Gemeinschaft von Einzellern, die mit uns in komplexen Symbiosen leben. Ein Großteil befindet sich im Darm (Mikrobiom). Der Industriepartner SNIPR BIOME unterstützt das Projekt PerMiCCion mit Präzisionsarzneimitteln, die es erlauben, ein gezieltes Mikrobiom-Engineering durchzuführen. © Sniprbiome.com

Im Darmtrakt des Menschen lebt eine große Gemeinschaft von Bakterien, Pilzen, Hefen, Viren und anderen Einzellern (Mikrobiota genannt). Diese Mikroorganismen haben einen lange unterschätzen Einfluss auf den menschlichen Organismus und leben mit ihm in komplexen Symbiosen.

Setzt man die Anzahl der Mikroben in uns ins Verhältnis, bestehen wir nur zu etwa 43 Prozent aus menschlichen Zellen. Auch die Gene all dieser Mikroben im Darm — das Mikrobiom — übersteigen unsere menschlichen Gene um mehr als das 100-fache. Nicht nur unser eigenes Genom spielt eine entscheidende Rolle bei Krebs, sondern auch, welche Gene (und damit Funktionen) die Mitbewohner in unserem Verdauungstrakt haben.

Jede Mikroben-Spezies verfügt über spezifische Eigenschaften. Diese sind in ihrem Erbgut in Form von Bauanleitungen für Proteine verankert. Die Proteine sind in allen Lebewesen essentiell für den Stoffwechsel, Wachstum und Informationsaustausch. Mikroben können sowohl Signale an menschliche Zellen als auch an andere Mikroben aus der Darmgemeinschaft senden.

Die unterschiedlichen Spezies helfen ihrem Wirt (dem Menschen) bei der besseren Aufspaltung der Nahrung oder der Produktion von Vitaminen; gemeinsam haben sie Einfluss auf die Toleranzbildung unseres Immunsystems. Studien zufolge können sie die Entstehung von komplexen Krankheiten wie Krebs fördern.

Die Zusammensetzung der Mikroben im Darm kann sich von Mensch zu Mensch stark unterscheiden. U.a. wird sie familiär weitergegeben, zudem ist sie veränderbar, z.B. durch die Ernährungsweise.

Was wird in PerMiCCion gemacht?
Der Verbund untersucht erstmals drei Einflussbereiche, von denen man annimmt, dass sie Darmkrebs bei jungen Erwachsenen antreiben können:

  • das allgemeine Umfeld (sozioökonomische Faktoren, z.B. Stress),
  • das spezifische Umfeld (Alkohol, Ernährung, Rauchen, verschreibungspflichtige Medikamente, körperliche Aktivität),
  • das interne Umfeld (Darmmikrobiota).

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In der NAKO wurden die Daten erhoben, indem Probandinnen und Probanden zu einem persönlichen Gespräch eingeladen wurden, computergestützte Fragebögen ausfüllten, biologische Proben abgaben und an einer umfangreichen Reihe medizinischer Untersuchungen teilnahmen.

DONALD erhob von Personen vom Säuglings- bis ins Erwachsenenalter in regelmäßigen Abständen detaillierte Daten zu Ernährungsverhalten, Wachstum, Entwicklung, Stoffwechsel und Gesundheitsstatus.

Dazu nutzen sie Daten aus den Studien NAKO (Nationale Kohorte) und DONALD (DOrtmund Nutritional and Anthropometric Longitudinally Designed).

So sollen wirksamere Strategien für die Prävention und Diagnose von jungen Patientinnen und Patienten mit Darmkrebs entwickelt und der Therapieerfolg und ihre Lebensqualität verbessert werden.

Die Förderung erfolgt auf Basis der Förderrichtlinie im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs.

In vier Teilprojekten nähern sich die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dem Thema. Sie verfolgen dabei unterschiedliche Teilziele.

Früherkennung anhand des Mikrobioms (Mikrobiom-basierte Diagnose)

Etwa 50 Prozent der Darmkrebs-Todesfälle könnten vermieden werden, wenn die Erkrankung im Frühstadium erkannt wird. Bisherige Tests haben Schwächen.

Teilprojekt 1

In diesem Projekt wollen die Forschenden so genannte polymikrobielle Signaturen aufspüren, also Muster in den Genen der Mikrobiota, die als gesund zu bezeichnen oder für Darmkrebs typisch sind. Treten diese schon vor Krankheitsausbruch auf, könnte man in der Früherkennung gezielt danach fahnden und so Darmkrebs sehr früh erkennen. Mit dem Wissen um krankheitstreibende Signaturen ließe sich das Darmkrebsrisiko eines Menschen besser ermitteln und je nach Erkrankungswahrscheinlichkeit individuell abgestimmte Maßnahmen anbieten.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen dazu das Mikrobiom in Stuhlproben junger Darmkrebsbetroffener mittels modernster Sequenzierungsmethoden. Zum einen lässt sich der genetische Code des Mikrobioms mittels der Next Generation Sequencing Methode analysieren. Eine innovative Weiterentwicklung herkömmlicher Sequenzierungsanalysen („Shotgun“-Sequenzierung) erlaubt es den Forschenden, direkt aus einer (Stuhl-)Probe zu ermitteln, welche verschiedenen Bakterienarten und andere Mikroorganismen wie Viren und Pilze sich darin befinden, ohne sie erst im Labor anzüchten zu müssen. Damit lassen sich Vielfalt und Diversität der Mikroben abschätzen.

Über die aufgeschlüsselten Gene können auch Rückschlüsse auf die im Stoffwechsel der Mikrobiota ablaufenden Prozesse und Produkte (Metabolomic) erfolgen, die in einem Mikrobengemisch ablaufen könnten.

Aus dem Wissen will das Team so genannte Multiparameter-Diagnosemodelle entwickeln, mit denen Veränderungen des Mikrobioms auf Basis verschiedener Messwerte erhoben werden sollen, die  später einmal eine gezielte Diagnose ermöglichen.Welche Signale gehen von einem krebserzeugenden Mikrobiom aus?

Mehrere Studien zeigen, dass Menschen, die im frühen Lebensalter Typ-2-Diabetes, Übergewicht in jungen Jahren – Ein Risikofaktor für frühen Darmkrebs haben. Immer mehr Kinder und Jugendliche in westlichen Industrienationen sind davon betroffen.

Es gibt Hinweise, dass dies mit einem Ungleichgewicht (Dysbalance) des Darmmikrobioms einhergeht, das auch die Krebsentstehung begünstigt. Das könnte mit dem jeweiligen Lebensstil zusammenhängen; in früheren Untersuchungen zeigte sich, dass die Variabilität der Darmmikrobiota bei Kindern und Menschen aus nicht-westlichen Populationen sehr viel größer und damit gesünder ist. Es wird vermutet, dass hierfür die Ernährungsweise und körperliche Aktivität entscheidend sind.

Teilprojekt 2

Hier sollen die krebserzeugenden Signale, die das Tumormikrobiom aussendet, genauer aufgeklärt werden. Zudem soll auch das Mykobiom bei jungen Darmkrebsbetroffenen in den Blick genommen werden, um die möglicherweise krebsfördernde Rolle von Pilzen besser zu verstehen.

Mit dem Wissen, welche Mikrobenarten welche Signale aussenden und wie sie damit den menschlichen Stoffwechsel beeinflussen, eröffnet sich die Chance, irgendwann vielleicht therapeutischen Einfluss darauf nehmen zu können. Zudem ließen sich Überwachungsinstrumente entwickeln (Biomarker-gestütztes Therapiemonitoring), mit denen das Ansprechen auf eine Behandlung sichtbar gemacht werden kann.

Kann man Einfluss auf das Mikrobiom nehmen und wann?

Vermutlich gibt es bestimmte Zeitfenster, in denen das Mikrobiom die Krankheitsentwicklung besonders beeinflusst. Dieses wollen die Forschenden ermitteln. Auch ob und wie man darauf einwirken kann, will das Projekt näher erforschen.

Teilprojekt 3

In diesem Arbeitspaket sollen folgende Fragen geklärt werden:

  • Gibt es nicht-genetische Einflussfaktoren (oder eine Kombination davon), die eine Ungleichgewicht im Darmmikrobiom bewirken und Darmkrebs in jungen Jahren auslösen? Welche sind das?
  • Gibt es bestimmte Entwicklungsphasen, in denen sich ein krebsförderndes Mikrobiom aufgrund nicht-genetischer Einflüsse etabliert und falls ja, wann?

In einer Längsschnittstudie wollen die Forschenden bei an Darmkrebs erkrankten Personen von einem sehr frühen Zeitpunkt an (nach der Operation) regelmäßig das Mikrobiom analysieren. So wollen sie das therapeutische Ergebnis und die Lebensqualität mit bestimmten Veränderungen des Mikrobioms in Verbindung bringen.

Die Ergebnisse könnten Wissen schaffen für Prävention durch gezielte Ernährungs- und Lebensstilveränderungen, die das Mikrobiom zum Positiven verändern.

Kann man das Mikrobiom gezielt bearbeiten und trägt das zum Therapieerfolg und zu besserer Lebensqualität bei?

Studien haben bestätigt, dass das Mikrobiom auch eine entscheidende Rolle für das Ansprechen auf eine Krebsbehandlung und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten spielt. So gibt es Krebstherapien (z.B. einige Immuntherapien), die nur dann erfolgreich sind, wenn sich bestimmte Mikroorganismen im Darm befinden. In anderen Fällen können Darmbakterien auch bestimmte Medikamente inaktivieren, bevor sie ihre Wirkung entfalten.

Teilprojekt 4

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen in diesem Teilprojekt, über eine personalisierte Ernährungs- und Lebensstiländerung die Darmgesundheit wieder herzustellen und die Lebensqualität bei jungen Darmkrebserkrankten zu verbessern.

Zudem prüfen sie in Zusammenarbeit mit dem dänischen Industriepartner SNIPR BIOME in einem neuartigen therapeutischen Ansatz, ob sich Darmbakterien, die einen direkten negativen Einfluss auf die Wirksamkeit der Behandlung und die Lebensqualität haben, mittels so genannter Genscheren (CRISPR/Cas-Technologie) hochspezifisch aus dem Mikrobiom entfernen lassen. Dabei handelt es sich um Antibiotika der nächsten Generation, die Bakterienspezies auf Grundlage ihrer spezifischen Genome präzise erkennen und nur diese aus einem Gemisch von Mikroben eliminieren.

Generell wird das Projekt dazu beitragen, die dynamische Wechselwirkung zwischen der Entstehung und dem Fortschreiten von Darmkrebs und dem Darmmikrobiom besser zu verstehen.

Die Verbünde bedienen sich sowohl daten- als auch hypothesengesteuerter System-Mikrobiom-Ansätze. Klinikerinnen und Kliniker, Epidemiologen und Datenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler werden eng zusammenarbeiten und Wissen und Instrumente aus verschiedenen Fachbereichen (Onkologie, Ernährung, Mikrobiologie, Molekularbiologie und klinische Studien mit Datenwissenschaft und Maschinellem Lernen) integrieren, um die Wechselwirkungen zwischen dem Immunsystem des Wirts und dem Darmmikrobiom bei Darmkrebs effizienter erfassen zu können.

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