Erkennen, wann eine nicht-alkoholische Fettleber in Leberkrebs übergeht
Das BMBF fördert im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs im Forschungsnetzwerk LiSyM-Krebs den Verbund SMART-NAFLD. Sein Ziel: Mehr Wissen generieren für Prävention und Früherkennung von Leberkrebs.
Zwölf Arbeitsgruppen mit Fachleuten verschiedener Expertise arbeiten in SMART-NAFLD zusammen. NAFLD ist die Abkürzung für eine nicht-alkoholische Fettleber, bei der sich übermäßig Fett in die Leberzellen (Hepatozyten) einlagert, ohne dass ein Alkoholmissbrauch zugrunde liegt. Das kann in mehreren Schritten zu Leberkrebs führen.
Früh erkannt lässt sich durch Verhaltensänderung (Ernährung, Bewegung) gegensteuern. Doch bislang bleibt die NAFLD im Anfangsstadium oft unbemerkt.
Typische Stoffwechselveränderungen aufdecken und zur Diagnostik nutzen
Von Krebs weiß man, dass es zu spezifischen Veränderungen auf unterschiedlichen Stoffwechselebenen kommt, die zum übermäßigen Wachstum führen – dem Hauptmerkmal von Tumorzellen.
Auch bei einer Leberverfettung verändert sich in den Leberzellen der Glukose- und Fettstoffwechsel. Die Forschenden nehmen an, dass dieser Stoffwechselzustand in Richtung „Kipppunkt“ umschlagen kann, wenn Entzündungsbotenstoffe dazukommen, und dann eine Fettleber in Leberkrebs übergeht.
Stoffwechselaufgaben der Leber
Die Hauptaufgabe von Leberzellen ist die Entgiftung (z.B. der Abbau von Alkohol oder Medikamenten) und die Verstoffwechslung der aus der Nahrung aufgenommenen Energiebausteine (Lipide, Zucker), um den Körper zu versorgen. Nährstoffe werden aus dem Darm ins Blut abgegeben und in Muskeln verbraucht, Überschüssiges in Fettgewebe angelegt. Bei dauerhaftem Überangebot wird auch in der Leber selbst Fett eingespeichert, was zu ihrer Verfettung führt.
Für all diese Stoffwechselvorgänge werden Proteine benötigt. Eine vermehrte Nährstoffaufnahme führt zur verstärkten Produktion bestimmter Proteine, die helfen, das schädliche Zuviel an Zucker oder Fett aus dem Blut einzulagern.
Das heißt, bei einem Überangebot verändert sich die Menge der Proteine und ihr Verhältnis, ebenso die Zwischenprodukte des Proteinaufbaus sowie die Häufigkeit, mit der die entsprechenden Gene abgelesen werden („Genaktivität“), auf denen die Bauanleitung von Proteinen abliegt.
Viele Stoffwechsel(zwischen)produkte finden sich im Blut wieder.
In dem Projekt sammeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Blut und Lebergewebeproben von Patientinnen und Patienten in verschiedenen Krankheitsstadien. Sie suchen darin nach molekularen Veränderungen, z.B. in Hinsicht auf Stoffwechselproteine oder Stoffwechselzwischenprodukte. Hintergrund ist, dass bei Krebs vor allem veränderte Proteine und Signalwege eine Rolle spielen.
Vielfältige Untersuchungen von Blut und Lebergewebe
Blutuntersuchungen bei Betroffenen und Gesunden
In Blutproben von Menschen mit und ohne Fettleber werden alle darin enthaltenen Proteine (das „Proteom" und Stoffwechselbausteine (das „Metabolom“) ermittelt und wie sie sich in den verschiedenen Stadien hin zum Leberkrebs vom gesunden Zustand unterscheiden. Da die Stoffwechselbausteine (die „Metaboliten“) produziert und abgebaut werden können, gibt ihr Vorliegen in bestimmter Konzentration Auskunft über aktuell stattfindende Vorgänge in Zellen und Geweben.
Untersuchungen des Lebergewebes von Betroffenen und Gesunden
Neben dem Blut wird im Projekt auch das Lebergewebe einer Bestimmung aller darin befindlichen Proteine (Proteom) und Metaboliten (Metabolom) unterzogen.
Die Leber und ihre Veränderungen im Gesamtorganismus
Die Forschenden fertigen zudem dünne (histologische) Schnitte von Lebergewebe zum Zeitpunkt verschiedener Krankheitsstadien an und ordnen die optisch sichtbaren Veränderungen des Organs den zeitgleich messbaren molekularen Veränderungen zu. Das Forschungsteam färbt in den Gewebeschnitten auch Lipide (Fetttröpfchen) an. So können sie unter dem Mikroskop sehen, welchen Weg das Fett im Stoffwechsel nimmt und wo es in der Leber eingelagert wird.
Leberzellen in Kultur
Es ist geplant, Hepatozyten (Leberzellen) für einige Tage im Labor anzuzüchten. Um Grundlegendes zu erfahren, werden die beteiligten Molekularbiologinnen und -biologen die molekularen Abläufe in den Zellen dann in der Petrischale beobachten und erfassen. Verwendet werden Leberzellen von Betroffenen aus verschiedenen Krankheitsstadien: also wenig verfettete Leberzellen, solche mit vorangeschrittener und purer Verfettung, die aber keine Zirrhose entwickeln und solche aus einer Leber mit Krebs. Zum Vergleich werden außerdem gesunde Leberzellen herangezogen.
Bildgebende Verfahren
Dazu kommen Informationen aus MRT-Untersuchungen, die die Leber im Gesamten und in ihrem lebenden Umfeld zeigen. Diese Methode ist nicht-invasiv, also wenig belastend. Die MRT-Bilder kommen aus der ärztlichen Praxis. Mit Einverständnis der Betroffenen dürfen deren diagnostische Bilder von den Forschenden genutzt werden. Das vervollständigt das Gesamtbild: Das MRT macht Entzündungen, Verfettungsgrad und zelluläre Veränderungen wie Knotenentwicklung erkennbar.
Im Mausmodell
Das Projekt untersucht parallel zu den menschlichen Vorgängen auch das Regenerationspotenzial von Lebergewebe aus Mäusen. Auswirkungen und Prozesse, die sich in der Fettleber und ihrer Umgebung abspielen, lassen sich so umfassender im lebenden Objekt betrachten, als es am Menschen möglich ist. Insbesondere der Tumorumgebung kommt eine wichtige Bedeutung bei der Krebsentstehung zu.
Zusammenführung der Daten – die verschiedenen Ebenen visualisieren
Die durch die Untersuchungen gewonnenen umfangreichen Daten werden durch Bioinformatikerinnen und -informatiker in zuvor an Mäusen entwickelten Computer-Modellen auf Zell- und Gewebeebene eingespeist und diese auf die menschlichen Daten angepasst.
Künstliche Intelligenz hilft bei der Auswertung von Big Data
Das mathematische Modell auf Gewebeebene verbindet die Datensätze und wertet sie im Zusammenhang miteinander aus. Die zusammengeführten Daten umfassen die Veränderungen auf der Proteom- und Metabolom-Ebene sowie die Veränderungen im Blut und der Gewebestruktur für verschiedene Krankheitszustände. Das Programm kann besser als der Mensch vergleichen, welche Veränderungen sich parallel (z.B. in Blut und strukturell in der Leber) verändern. Es handelt sich um ein lernendes System, in das auch später erhobene Daten noch eingespeist werden.
Eine 3D-Visualisierung des Computermodells ermöglicht einen verständlicheren Einblick in die Gewebestruktur von gesundem und krankhaftem Gewebe.
Spätere Praxisanwendung zum Nutzen der Betroffenen ist geplant
Das Ziel ist es, das Modell letzten Endes so auszufeilen, dass es in der Praxis als Programm angewendet werden kann. Damit könnte später über eine minimal-invasive Blutprobe die Wahrscheinlichkeit von Gewebeveränderungen in der Leber eingeschätzt werden. Ermittelt das Programm, dass sich das Gewebe womöglich schon verändert hat, können weitere Untersuchungen erfolgen. Je nach Erkrankungszustand würde ein Betroffener engmaschiger und umfangreicher untersucht (z.B. durch Ultraschall oder MRT) oder auch biopsiert werden.
Die Erkenntnisse aus dem Projekt können zudem die Basis bilden, um weiter zu erforschen, ob und wie sich die Veränderungen aufhalten oder verhindern ließen.