Leberkrebs früh erkennbar machen
Im Konsortium Deep-HCC des LiSyM-Krebs-Verbundes bilden Forschende die Vorgänge der Leberkrebsentstehung digital nach und wollen so molekulare Auffälligkeiten für die Früherkennung nutzbar machen.
Etwa 95 Prozent der Leberkrebserkrankungen entstehen aus der zirrhotischen Leber. Zirrhose-Patientinnen und -patienten werden engmaschig untersucht. Trotzdem ist es schwer, den Krebs zu entdecken, solange er noch klein ist. Ist der Krebs fortgeschritten, kommt als lebensrettende Therapie bislang meist nur eine Lebertransplantation infrage. Eine frühere Diagnose könnte Patientinnen und Patienten weitere Therapieoptionen eröffnen.
Mit mehr Verständnis der Vorgänge den Krebs früher erkennen
Das ist das Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 16 Arbeitsgruppen, die sich in Deep-HCC zusammengeschlossen haben. Im Rahmen der Nationalen der Dekade gegen Krebs erforschen sie fachübergreifend Details der Leberkrebsentstehung und suchen nach Biomarkern für die Früherkennung.
Wie gehen die Forschenden vor?
Die Labortätigen des Projekts untersuchen Leberzellen und -gewebe aus sowohl gesunden als auch krebsbefallenen Proben. Mit den Analyseergebnissen werden Computermodelle gefüttert und das Geschehen in der Leber realitätsgetreu digital nachgebildet.
Erhebung der Datenbasis für die Modelle
Für die Entwicklung des Modells braucht es eine verlässliche Datengrundlage. Hierfür greifen die Forschenden auf Proben aus Biobanken zurück. Diese Proben untersuchen sie mit etablierten “Omics“-Methoden. Damit können sie die krankhaften Veränderungen in Krebszellen auf verschiedenen Ebenen analysieren. Aus den Omics-Analysen ergeben sich große, komplexe Datenmengen, die in die Modelle einfließen.
Innovative Verfahren liefern ergänzend hochqualitative Daten
Neben den Standardmethoden kommen in Deep-HCC neueste Methoden zum Einsatz, die über die Auflösung reiner Omic-basierter Ansätze hinausgehen. Durch sie werden sehr tiefgehende Analysen an 20 Patientenproben (Lebergewebe, einzelne Leberzellen bzw. Blut) ermöglicht. Diese Stichprobe extrapolieren die Fachleute für Modellierung und heben sie auf Bevölkerungsebene. Die Ergebnisse werden ebenfalls in die Modelle eingespeist.
Beispiele für im Projekt angewendete innovative Verfahren
Tumortypische Veränderungen einzelnen Zelltypen zuordnen
In herkömmlichen Omics-Analysen wird das Tumorgewebe quasi „püriert“ und die Inhaltsstoffe darin bestimmt. Die gefundenen Veränderungen lassen sich dann jedoch nicht mehr verschiedenen Zellen (Tumor- oder Umgebungszellen oder den in den Tumor eingewanderten Immunzellen) zuordnen. Neue Methoden lösen dies nach dem Ort des Geschehens auf.
Das liefert entscheidende biologische Informationen – etwa darüber, in welchen Zellen genau welche Stoffwechselwege aktiviert sind und wie und mit welchen Umgebungszellen die Krebszellen kommunizieren, um sie für ihre Zwecke zu manipulieren.
Reihenfolge von Mutationen ermitteln
Die Forschenden wollen wissen, welche Mutation initial für den Krebs war und welche weiteren das nach sich zieht.
Züchten von Organoiden aus individuellen Tumorproben
Anhand von Patientenproben — in diesem Fall kleinen Gewebestücken aus Lebern verschiedener Krankheitsstadien — werden im Labor Mini-Lebern herangezüchtet. Sie zeigen Ähnlichkeiten mit den echten Organen, aus denen sie stammen. An ihnen lassen sich physiologische Abläufe im lebenden System nachverfolgen oder gezielte Tests durchführen.
3D-Modelle von Tumor und Normalgewebe
Mit Hilfe modernster Mikroskopietechniken, kombiniert mit der Entwicklung computergestützter 3D-Gewebekonstruktionsalgorithmen, färben die Projektbeteiligten Lebergewebe mit Antikörpern an und betrachten es in höchster Auflösung unter dem Mikroskop. Das hilft ihnen, zu verstehen, welche Struktur für welche Funktion im gesunden Lebergewebe verantwortlich ist und welche Veränderungen im Tumorgewebe Einfluss darauf nehmen.
Überführung in ein digitales Lebermodell
Die dreidimensionalen Modelle werden die Leber und die Stoffwechselvorgänge bei der Krebsentstehung im Computer nachbilden. Spezielle Algorithmen helfen, in den Modellen nach auffälligen Veränderungen zu suchen, die als Biomarker fungieren könnten. Diese könnten sich in der Gewebestruktur, dem Erbgut oder den Stoffwechselmolekülen der Leberzellen zeigen.
Die aus dem Projekt resultierenden Vorhersagen und Entdeckungen werden durch modellbasierte Laborversuche in komplexen menschlichen Organoiden, durch weitere Experimente und durch klinische Studien zusammen mit Industriepartnern getestet und validiert.
Die Modelle können zudem die weitere Erforschung von Leberkrebs voranbringen. Langfristig könnten mit ihnen potenzielle molekulare Angriffsziele gefunden werden, an denen man mit neuen Therapieformen oder gar präventiv eingreifen kann.