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Forschung zur Verbesserung der Darmkrebsvorsorge

Darmkrebs lässt sich durch Vorsorge verhindern bzw. früh erkannt fast immer heilen. Doch die Darmspiegelung ist unbeliebt. Ob sich die Teilnehmerquote durch eine nicht-invasive Methode erhöhen lässt, prüft nun Forschung im Rahmen der Dekade.

 

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Darmspiegelung mittels eingeführtem Schlauch oder per verschluckbarer Minikamera? Die NETZ-Studie im Rahmen der Dekade gegen Krebs untersucht die Eignung beider Methoden im Vergleich. © Adobe/Kei A

Polypen entwickeln sich oft unbemerkt

Ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung haben gutartige Wucherungen, so genannte Polypen im Darm, die sich zu Darmkrebs entwickeln können.


Zum einen gibt es hierfür eine erbliche Veranlagung. Zum anderen steigt generell mit dem Alter die Wahrscheinlichkeit für einen Darmpolypen – ein Drittel der über 55-Jährigen ist betroffen.

Jedes Jahr erhalten etwa 61.000 Menschen die Diagnose Darmkrebs und rund 24.600 sterben daran. Damit ist Darmkrebs die zweithäufigste Krebserkrankung und die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Das müsste nicht sein, denn Darmkrebs ist eine Erkrankung, der man sehr gut mit Vorsorgemaßnahmen begegnen kann: Die Darmspiegelung (Koloskopie) identifiziert verlässlich Vorstufen des Krebses, sogenannte Polypen, die sich umgehend in der Koloskopie entfernen lassen. Auch wenn bereits Krebs entstanden ist, kann dieser frühzeitig erkannt in nahezu allen Fällen geheilt werden.

Darmkrebsvorsorge mittels Koloskopie fehlt die Akzeptanz

Doch nur etwa 3 Prozent der Anspruchsberechtigten nehmen das Vorsorge-Angebot der gesetzlichen Krankenkassen wahr. Trotz der geringen Teilnahme hat die Untersuchung in den letzten 10 Jahren wahrscheinlich 180 000 Karzinome verhindert – das entspricht einem verhinderten Darmkrebsfall pro 28 Vorsorgekoloskopien. Im Umkehrschluss bedeutet das: es könnten mehr Leben gerettet werden, wenn mehr Menschen die Vorsorge in Anspruch nähmen.

Präventionspotential voll ausschöpfen

War früher Darmkrebs eher eine Erkrankung, die bei Älteren auftrat, steigen die Erkrankungszahlen seit einigen Jahren in der jüngeren Generation an. Daher werden im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs interdisziplinäre Verbünde zur Erforschung zur Prävention von Darmkrebs in jüngeren und künftigen Generationen unterstützt.


ExpertInnen vermuten, dass die westliche Lebensweise mit wenig Bewegung und fett- und zuckerreicher, ballaststoffarmer Kost zum Anstieg der Erkrankungen beiträgt. Auch Alkohol und Rauchen scheinen die Entstehung von Darmpolypen zu begünstigen. Hinweise geben Untersuchungen, die zeigen, dass in Westeuropa und Nordamerika im Vergleich zu anderen Teilen der Welt mehr Menschen Darmpolypen entwickeln. Das BMBF fördert in diesem Zusammenhang transnationale Projekte, die dazu beitragen, den Einfluss von Ernährung und körperlicher Aktivität auf das individuelle Krebsrisiko besser zu verstehen.

Patientenfreundliche Alternative: Verschluckbare Mini-Kamera

Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs wird in der Konzeptphase einer praxisverändernden Studie „NETZ“ (Endoscopic telemedicine service for improving colorectal cancer prevention) die Frage bearbeitet, ob sich die Bereitschaft zur Teilnahme an der Vorsorge durch eine Minikamera zum Hinunterschlucken (Dickdarm-Kapsel-Endoskopie oder Kolonkapsel) erhöhen lässt. Dies ist eine Alternative zur „normalen" Koloskopie, bei der ein Spezialist oder eine Spezialistin einen etwa 1,5m langen, dünnen und flexiblen Schlauch mit Lichtquelle und einer winzigen Videokamera durch den After einführt und die Darmwand auf Auffälligkeiten hin absucht.

Die Kolonkapsel kann stattdessen in der Hausarztpraxis geschluckt werden und dem oder der zu Untersuchenden werden Sensoren und ein Gürtel mit einem Aufzeichnungsgerät angelegt. Während die Kapsel den Weg durch den Darm antritt und Bilder davon aufzeichnet, kann man die Praxis verlassen und sich frei bewegen. Die Mini-Kamera wird am Ende auf natürlichem Wege ausgeschieden und entsorgt, die Aufnahmen am Computer ausgewertet.

Konzeption der NETZ-Studie

In einer möglichen auf die Konzeptphase aufbauenden Studie sollen die Probandinnen und Probanden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Kontrollgruppe würde das derzeitige Standardvorgehen erhalten, d.h. sie wählen zwischen Koloskopie oder immunologischer Stuhltestung (FIT-Test). Für letztere werden Stuhlproben auf verstecktes Blut hin untersucht, das auf Darmkrebs hinweist.

Um die Entscheidung zu erleichtern, ist für die Teilnehmenden eine gedruckte Entscheidungshilfe geplant (s. „Weitere Informationen“ am Textende). Zudem würde ein darauf basierendes ärztliches Beratungsgespräch angeboten.

Die zweite Gruppe („Studienarm“) würde ebenfalls Informationen zu Darmkrebs und seiner Verhinderung erhalten, kann aber zusätzlich in einer telemedizinischen Beratung mit dem Arzt oder der Ärztin Rückfragen stellen. Danach treffen sie ihre Wahl zwischen einer normalen Koloskopie, Stuhltests in der Arztpraxis oder per Post (“Tele-FIT”) bzw. einer Kolon-Kapsel-Endoskopie in einer wohnortnahen Arztpraxis.

Am Ende soll verglichen werden, mit welcher Methode mehr potentiell gefährliche Polypen entfernt und damit Erkrankungen verhindert werden konnten.

Müssen wirklich alle Polypen entfernt werden?

Darmpolyp Aufnahme eines in der Kolonkapsel-Endoskopie entdeckten Darmpolypen.
Aufnahme eines in der Kolonkapsel-Endoskopie entdeckten Darmpolypen. © Robert-Bosch-Krankenhaus/ Abt. Gastroenterologie, Prof. Joerg Albert

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen auch besser verstehen, wie man die Menschen mit besonders „gefährlichen“ Polypen von vornherein von womöglich harmlosen unterscheiden kann. Tatsächlich weisen viel mehr Menschen Polypen auf, als Darmkrebs im Laufe des Lebens entwickeln. Bislang werden sicherheitshalber alle Polypen entfernt, da man nicht weiß, wann daraus wirklich Krebs entsteht. Die Entfernung ist zwar risikoarm, kann die Patienten jedoch belasten und in sehr seltenen Fällen können Komplikationen in Form von Blutungen auftreten.

Allerdings kennt man schon heute Risikofaktoren für die Entstehung von Darmkrebs bei unterschiedlichen Menschen. Hier tragen im Wesentlichen genetische und Verhaltensfaktoren wie etwa die Ernährung und Eigenschaften der Personen (bestimmte Genveränderungen, Wohnort, Geschlecht, Alter etc.) bei. Mithilfe dieser Kenntnisse und der Analyse der Polypen zielen die Wissenschaftler der Studiengruppe darauf ab, das persönliche Risiko des Menschen für die Darmkrebsentwicklung erkennen zu können. Kann man so besser vorhersagen, welche Personen ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs haben, könnte bei niedrigerem Risiko die Screening-Intensität möglicherweise reduziert bzw. bei hohem Risiko intensiviert werden. Eine personalisierte Vorsorge wird so möglich und die Vorsorgekonzepte könnten für das jeweilige Individuum maßgeschneidert werden.

Die Koordination des Vorhabens liegt bei der Robert Bosch Gesellschaft für Medizinische Forschung (RBMF) - eine Forschungseinrichtung des Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhauses - sowie dem Partner der Dekade, dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Die Konzeptphase wird im Rahmen der Dekade gegen Krebs als praxisverändernde Studie mit hohem Potenzial zur Verbesserung der Praxis in der Prävention, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen gefördert. Wie bei allen geförderten Projekten sind neben Expertinnen und Experten auch Patientenvertreter am Studienkonzept beteiligt.

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