Forschung für bessere Behandlung bei Prostatakrebs
Ein hochpräzises, individualisiertes Vorgehen bei der Bestrahlung des Prostatakarzinoms lässt auf verbesserte Heilungschancen und weniger Nebenwirkungen hoffen. Eine praxisverändernde Studie im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs überprüft die Hypothese.
Im November weist die Kampagne „Movember“ auf Männergesundheit hin, zu der auch die Wahrnehmung von Krebsvorsorgeangeboten gehört. Prostatakrebs ist die häufigste Tumorart bei Männern in Deutschland. Jedes Jahr erhalten etwa 68.500 Männer diese Diagnose und etwa 15.000 versterben hieran.
Die gängige Behandlung umfasst entweder die Operation (radikale Prostatektomie) oder die Strahlentherapie. Beide Eingriffe können im frühen Erkrankungsstadium, wenn der Tumor noch nicht gestreut hat, zur Heilung führen.
Bislang erhält ein Großteil der Patienten eine Strahlentherapie über sieben bis acht Wochen, wobei die gesamte Prostata der gleichen Dosis ausgesetzt wird. Da die Prostata der Harnblase und dem Enddarm anliegt, kann bei diesem Vorgehen die Bestrahlungsdosis nicht beliebig erhöht werden, ohne verstärkte Nebenwirkungen auf die Blase und den Enddarm zu riskieren.
Genau hier wollen Forschende der Klinik für Strahlenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs Fortschritte erzielen: Sie sichern in der klinischen Studie HypoFocal-SBRT die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer neuen individualisierten Bestrahlungsmethode ab.
Neue bildgebende Verfahren und moderne Bestrahlungstechniken ermöglichen präzisere Behandlung
Grundlage sind neue, hochauflösende bildgebende Untersuchungsmethoden (PSMA-PET und MRT ), die den Tumor in der Prostata genauer lokalisieren können. Die Forschenden wenden eine hochpräzise Behandlungsmethode an: die Stereotaktische Strahlentherapie (SBRT).
Wie funktioniert die Stereotaktische Strahlentherapie (SBRT)?
Die Patienten liegen dabei auf einem Tisch im Strahlentherapiegerät (einem Linearbeschleuniger ), wo sie präzise positioniert werden können. Kleine Marker aus Gold, die in die Prostata eingebracht werden, machen das Organ in der Bildgebung (bildgeführte Strahlentherapie, kurz IGRT) noch genauer ortbar. Die Position des Patienten und der Prostata (inklusive des Tumors) kann mithilfe der IGRT kontinuierlich überwacht und auf 1 mm genau korrigiert werden.
Die Strahlendosis wird aufgeteilt und von außen aus verschiedenen Winkeln präzise auf den Tumor gerichtet. Erst im Tumorbereich treffen sich alle Strahlen - hier kommt die gesamte Dosis gebündelt an. So erhält gesundes Gewebe nur eine geringe Strahlendosis, während der Krebsherd selbst mit sehr hoher Intensität behandelt werden kann.
Präzisere Bestrahlung heißt maximale Wucht gegen den Tumor und größtmögliche Schonung gesunder Bereiche.
Damit lassen sich Tumoren im Körperinnern so präzise zerstören, dass es der chirurgischen Entfernung mit einem Skalpell gleicht („ablative Strahlentherapie“). Zum anderen können die angrenzenden gesunden Bereiche (Darm und Harnblase) optimal geschont und Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz reduziert werden. Das bessert die Lebensqualität der Patienten erheblich. Darüber hinaus wird die Behandlungsdauer von 20 bis 40 Tagen auf 5 Tage reduziert.
Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs wird nach dem erfolgreichen Abschluss der Konzeptions- und Vorbereitungsphase nun die Durchführung der „HypoFocal-SBRT“-Studie gefördert. Sie soll die Hypothese überprüfen, dass die neue Therapie einen höheren Nutzen für die Patienten hat als die bisher etablierte Strahlenbehandlung. Die Weiterförderung wurde mit einer Projektlaufzeit vom 01.08.2022 bis 01.07.2026 gewährt.
Was ist ein höherer Nutzen?
Eine Therapie kann als besser bewertet werden, wenn sie bessere Heilungschancen bietet, ohne dass sie eine vermehrte Belastung oder ein erhöhtes Nebenwirkungsrisiko für die Patienten nach sich zieht. Würde dies die Studie zeigen, könnte die neue Methode die bisherige Standardtherapie ablösen. Unabhängig vom Ergebnis fließen die dabei gewonnenen Erkenntnisse in jedem Fall in die Weiterentwicklung der Therapie von Patienten mit Prostatakrebs mit ein.
So läuft die Studie ab
In der Studie werden Menschen mit fortgeschrittenem, nicht metastasiertem Prostatakrebs nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt.
Eine Gruppe erhält die bisherige Standardtherapie
Dies ist der „Kontrollarm“ der Studie. Hier wird mit der traditionellen Technik (Intensitätsmodulierte Strahlentherapie und Bildgeführte Strahlentherapie), also mit einer gleichmäßigen Bestrahlung, über 20 Tage (20 Bestrahlungen) die gesamte Prostata behandelt.
Eine weitere Gruppe erhält die neue Therapieform (PET und MRT gesteuerte SBRT)
In dem „experimentellen“ Arm der Studie wird mit der neuen Methode SBRT in 5 Tagen (5 Bestrahlungen) mit hohen Strahlendosen behandelt. Zusätzlich zur Bestrahlung der gesamten Prostata erfolgt eine fokussierte Erhöhung der Dosis im Bereich des Tumors.
In geförderten Studien im Rahmen der Dekade gegen Krebs wird immer die Betroffenensicht berücksichtigt
Die Patientenbeteiligung in der Forschung steht in diesem Jahr 2022 besonders im Fokus der Nationalen Dekade gegen Krebs. Sie ist ein wichtiges Ziel der Dekade und stellt sicher, dass sich die Wissenschaft an den Bedürfnissen der Betroffenen und deren Angehörigen orientiert.
Bei der Entwicklung des HypoFocal-SBRT-Studienkonzeptes wurden Erkrankte über bundesweite und baden-württembergische Selbsthilfegruppen beteiligt, um das Projekt im kontinuierlichen Dialog mit ihnen zu gestalten. Im Rahmen der Studie wird recherchiert werden, wie der Dialog mit ihnen intensiviert werden kann und wie zeitgemäße Methoden (wie z.B. Patienten-Apps) dafür eingesetzt werden können.
Die Studienpartner
Die Studie findet unter Beteiligung von Expertinnen und Experten aus Strahlentherapie, Urologie, Nuklearmedizin, Radiologie und Psychoonkologie statt. Mehrere europäische Zentren sind daran beteiligt (= Multicenter-Studie).
Das Studiendesign und die Durchführung der Studie liegen in den Händen der Klinik für Strahlentherapie des Universitätsklinikums Freiburg.