Fokus auf das Tumor-Mikromilieu bei neuen Krebs-Immuntherapien
Tumoren können ihre direkte Umgebung zu ihrem Vorteil manipulieren. Dies zu erforschen, ist Grundlage für eine neue Generation von vielversprechenden Immuntherapien gegen Krebs. Das BMBF unterstützt dazu das europäische Fördernetzwerk TRANSCAN.
Krebszellen sind sehr wandelbar und können sich dadurch häufig den bislang bekannten Behandlungsstrategien entziehen. So kann es, auch wenn eine Therapie zunächst erfolgreich erscheint, zu einem Rückfall kommen. Auch reagieren verschiedene Patienten unterschiedlich auf die gleiche Behandlung. Das hat zum einen mit den unterschiedlichen Wegen zu tun, die Tumoren für ihr Wachstum und ihre Ausbreitung im Körper nutzen. Diese können sich selbst bei derselben Krebsart zwischen zwei Menschen unterscheiden und beruhen u.a. auf unterschiedlichen Mutationen, die eine Körperzelle zur Krebszelle gemacht hat.
Krebs beeinflusst körperliche Prozesse in vielfältiger Art
Lange stand die Frage, wie genetische Veränderungen Zellen unkontrolliert wuchern lassen, im Mittelpunkt der Krebsforschung. Doch Genveränderungen sind nicht die einzigen Mechanismen, die die Entstehung und das Fortschreiten einer Krebserkrankung oder Therapieresistenzen verursachen können. Und nicht nur die Tumorzellen selbst spielen dabei eine Rolle. Auch die Interaktion zwischen den verschiedenen Zelltypen aus der unmittelbaren Umgebung (Fachbegriff: Tumormikroumgebung bzw. Tumormikromilieu, kurz: TME) des Tumors ist von großer Bedeutung.
Die Mikroumgebung des Tumors bilden die ihn umschließenden nicht-malignen Zellen und Gewebe, ein Geflecht aus Blutgefäßen sowie Immun- und Entzündungszellen, die aus Blut oder Lymphe einwandern. Dazu kommt die sogenannte extrazelluläre Matrix, die aus einem Netzwerk von Protein- und Zuckerketten oder aus Verbindungen beider Molekülarten besteht und gelartig die Räume zwischen den Zellen ausfüllt. Hier laufen chemische Signale hin und her und es sind Schlüsselsubstanzen für Entzündungsprozesse und Krebsentwicklung enthalten. Die Matrix spielt eine wichtige Rolle für die Signalübertragung zwischen Tumor- und Immunzellen.
Manipulation von Wachstumsprozessen und Immunsystem
Inzwischen ist bekannt, dass die Zellen aus der Mikroumgebung zwar zu Beginn der Tumorentstehung versuchen, das Tumorwachstum einzuschränken. Doch die Krebszellen können dies u.a. durch die Ausschüttung von Signalstoffen unterbinden und die Umgebungszellen sogar dazu bringen, das Tumorwachstum aktiv zu fördern.
So „durchstreifen“ Immunzellen normalerweise den Körper und erkennen und bekämpfen entartete Zellen im Körper selbstständig. Doch Tumoren haben die Fähigkeit, auch sie zu beeinflussen und sich dadurch ihrer Kontrolle zu entziehen. Insbesondere Entzündungen in der Mikroumgebung können dazu führen, dass bestimmte Immunzellen sogar zu „Handlangern“ des Tumors umfunktioniert werden und z.B. Signalstoffe produzieren, die das Wuchern der Krebszellen befeuern.
Krebszellen sorgen selbst für ihre optimale Versorgung
Der wachsende Tumor benötigt irgendwann mehr Sauerstoff und Nährstoffe, um weiter zu existieren. Auch hierfür sorgt er, indem er seine Umgebung so beeinflusst, dass sie ihn durch die Neubildung von Blutgefäßen optimal versorgt. Über Blutgefäße findet auch die Verteilung von Tumorzellen im Körper statt. Daher spielt dieser Prozess eine wichtige Rolle bei der Metastasierung, die dazu führen kann, dass der Krebs dann nicht mehr heilbar ist.
All diese Prozesse greifen eng ineinander und sind bislang nicht ausreichend erforscht. Deshalb bedarf es hier eines breiten Ansatzes an Fördervorhaben, um die Themenvielfalt abbilden zu können.
Die Krebsimmuntherapie hat in den letzten zehn Jahren den Ansatz der Krebsbehandlung revolutioniert. Sie zielt darauf ab, das Immunsystem (wieder) auf die Tumorzellen anzusetzen. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten mit Substanzen aus dem Körper und/oder aus dem Labor, die die körpereigene Abwehr stärken oder Fehlfunktionen beheben. Doch auch die Immuntherapie schlägt nicht bei allen Betroffenen gleichermaßen an.
Besseres Verständnis des Tumormikromilieus lässt Durchbrüche in der Krebsimmuntherapie erwarten
In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass Resistenzen weitgehend von der Zusammensetzung des Tumormikromilieus beeinflusst werden. Die genaue Kenntnis über die tumorfördernden Zellen und die von ihnen ausgelösten Prozesse in der Tumormikroumgebung sowie das bessere Verständnis der Kommunikation zwischen Krebszellen und Umgebungsmilieu bieten eine große Chance, therapeutische Ansatzpunkte (Targets) zu identifizieren und prädiktive Biomarker für die Vorhersage von Behandlungsergebnissen und Ausbildung von Resistenzen zu entwickeln.
Ein Fernziel der Forschung ist es, die Mikroumgebung von Tumoren medikamentös so zu modifizieren, dass Krebs als chronische Krankheit im Zaum zu halten ist.
Forschungsförderung für neue Erkenntnisse und Therapien in der Immunonkologie
Vor diesem Hintergrund veröffentlichte das BMBF am 07. April 2021 zusammen mit den anderen TRANSCAN-3-Partnern den ersten gemeinsamen transnationalen Aufruf zur Einreichung von Projektskizzen (JTC 2021) zum Thema „Krebs-Immuntherapie der nächsten Generation: Fokus auf das Tumor-Mikromilieu“.
TRANSCAN-3 zielt darauf ab, hoch innovative und ehrgeizige Kooperationsprojekte in der translationalen Krebsforschung auf europäischer und internationaler Ebene zu fördern. Die Projekte sollen neue Erkenntnisse über die Wirkungen des Tumormikromilieus bei der Krebs-Immuntherapie in die klinische Praxis übertragen.
Deutschland ist von Beginn an Partner des TRANSCAN-Forschungsnetzwerks. Ziel dieses im Jahr 2011 ins Leben gerufenen Netzwerks ist die Koordinierung von Forschungsaktivitäten europäischer Länder im Bereich der translationalen Krebsforschung. Im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft hat Deutschland den Beitrag für TRANSCAN um weitere zwei Millionen Euro aufgestockt.
Mit der vorliegenden Fördermaßnahme im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs wird das Ziel verfolgt, sich ergänzende Expertisen und Ressourcen von einschlägig qualifizierten Arbeitsgruppen aus den teilnehmenden Ländern/Regionen zusammenzuführen.