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Mehr Lebensqualität durch weniger Therapie?

Betroffene mit lokal fortgeschrittenem Enddarmkrebs erhalten derzeit meist eine Bestrahlung bzw. kombinierte Bestrahlung mit Chemotherapie, bevor sie operiert werden. Eine Studie soll nun zeigen, wer von der belastenden Behandlung vor der OP gar nicht profitiert. 

Die groß angelegte Studie „SELREC“, die im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs (NDK) mit 4,6 Millionen Euro gefördert wird, startete im Mai 2023 und ist auf sieben Jahre angelegt. SELREC steht für „Selektive neoadjuvante Therapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom“. Das Projekt soll die Lebensqualität der Betroffenen verbessern, ohne dadurch das Risiko für ein Wiederauftreten des Tumors zu erhöhen, und stellt dafür den aktuellen Therapiestandard auf den Prüfstand.

Zu sehen ist eine mit einer speziellen Durchleuchtungstechnik (MRT) aufgenommene Aufnahme des Unterleibs. Der Enddarm ist rot markiert. Enddarmkrebs
In der Bildgebung (MRT) können die Ärztinnen und Ärzte sehen, wo sich der Tumor im Enddarm befindet (rot) und wie weit er von der Außenhülle des Darms und vom Schließmuskel entfernt ist. © Prof. Dr. Hans-Ulrich Kauczor

Denn bisher empfehlen die Behandlungsleitlinien bei lokal fortgeschrittenem Enddarmkrebs für die Mehrheit der Betroffenen, den Tumor vor einer OP durch eine Bestrahlung bzw. kombinierte Bestrahlung mit Chemotherapie zu verkleinern. Das mindere das Rückfallrisiko für den Tumor am Ursprungsort zwar deutlich, doch überleben die so behandelten Patientinnen und Patienten dadurch im Schnitt nicht länger. Dagegen verursachen Bestrahlung und Chemotherapie in einigen Fällen akute und chronische Nebenwirkungen und können die Funktion von Darm, Blase und Sexualorganen nachhaltig bedeutend einschränken. Besonders Stuhlinkontinenz und Störungen der sexuellen Aktivität belasten die Betroffenen stark und senken die Lebensqualität.

Erste kleinere Studien haben gezeigt, dass eine direkte Operation ähnlich gut wirken kann wie eine Operation mit vorgeschalteter Strahlen-/Chemotherapie. Dies scheint für Patientinnen und Patienten zu gelten, deren Tumor ausreichend weit von der äußeren Darmhülle entfernt ist.

Weniger Nebenwirkungen durch Präzisionsmedizin

SELREC überprüft diesen Zusammenhang nun mit einer großen Patientenzahl am Universitätsklinikum Heidelberg und 35 kooperierenden Kliniken. Den Abstand zwischen Tumor und Darmhülle will das Studien-Team vor Studieneinschluss mittels Magnetresonanztomographie (MRT) des Beckens ermitteln.

An der Studie teilnehmen können nur Erkrankte, bei denen ein ausreichender Abstand gegeben ist. Diese werden per Zufall zwei Behandlungsgruppen zugeteilt: der mit und der ohne Vorbehandlung. Einige Patientinnen und Patienten aus beiden Gruppen erhalten zusätzlich nach der Operation – je nach pathologischem Ergebnis – eine rückfallvorbeugende Chemo- oder Radiochemotherapie.

Nach drei Jahren wollen die Verantwortlichen vergleichen, wie oft die Tumoren bei den beiden unterschiedlich behandelten Gruppen am ursprünglichen Ort zurückgekehrt sind. Die Studie wird zudem erstmals die subjektiv empfundene Lebensqualität der Betroffenen berücksichtigen und vergleichen.

Wenn die langfristigen Ergebnisse von SELREC eine vergleichbare Wirksamkeit der schonenderen Behandlung bestätigen, „könnte man dieser klar definierten Patientengruppe die belastenden Nebenwirkungen der voroperativen Therapie ersparen“, sind sich Studienleiterin PD Dr. med. Rosa Klotz, Oberärztin der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie des UKHD, und Studienkoordinatorin Dr. med. sci. Cosima Engerer einig.

Das wäre ein großer Schritt in Richtung Präzisionsmedizin und könnte die Lebensqualität der Betroffenen entscheidend verbessern.

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