2. Deutscher Krebsforschungskongress
Der 2. Deutsche Krebsforschungskongress brachte die Krebsforschungs-Community mit dem Ziel zusammen, die Kräfte im Kampf gegen den Krebs weiter zu bündeln und über aktuelle Forschungserkenntnisse zu diskutieren.
Die virtuelle Konferenz fand am 18. und 19. Oktober 2021 statt, veranstaltet von den Partnern der Nationalen Dekade gegen Krebs, dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Krebshilfe (DKH).
Auf der Veranstaltung kamen Expertinnen und Experten aus allen Forschungsbereichen zusammen und diskutierten in vier Sessions über die derzeitigen „hot topics“ in der Krebsforschung und nutzten die zahlreichen Workshops zum intensiven Austausch in kleinen Gruppen.
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung Anja Karliczek begrüßte die Teilnehmenden mit einem Appell:
„Helfen Sie mit. Forschen Sie, bringen Sie Erkenntnisse schnell in die Praxis, durch eine effiziente Translation.“ Und sie betonte die Patienteneinbindung, die in der Dekade gegen Krebs fokussiert wird: „Denken Sie an die Patienten – und an deren Beteiligung. Die Rückmeldungen bisher sind durchweg positiv und zeigen, dass beide Seiten klar profitieren.“
Anschub der Krebsforschung im Rahmen der Dekade gegen Krebs
Die Maßnahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs tragen dazu bei, die Krebsforschung nach vorne zu bringen. So hob die Ministerin in ihrer Rede beispielsweise den im Rahmen der Dekade gestarteten Ausbau des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) hervor. Das BMBF fördert darüber hinaus konkrete Projekte zur Untersuchung bislang ungelöster großer Fragen der Krebsforschung – aktuell im besonders großen Umfang die Erforschung der Tumor-Heterogenität.
Erster Deutscher Preis für Krebspräventionsforschung
Highlight des ersten Kongresstages war die Verleihung des ersten Deutschen Preises für Krebspräventionsforschung. Überreicht wurde der zweiteilige Preis von Prof. Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des DKFZ und Ko-Vorsitzender des Strategiekreises der Nationalen Dekade gegen Krebs. Ausgezeichnet wurden mit dem hochkarätigen Preis in diesem Jahr Leistungen auf dem Gebiet der Darmkrebs-Früherkennung:
● Den Hauptpreis erhielt der international renommierte Epidemiologe Prof. Hermann Brenner vom DKFZ, der sich als Themenpate der AG Prävention auch in der Dekade gegen Krebs aktiv engagiert.
● Der Nachwuchspreis ging an den Computational Oncology-Experten Jakob Nikolaus Kather, Junior-Professur am Universitätsklinikum Aachen.
Gestiftet wird die Auszeichnung von der Manfred Lautenschläger-Stiftung. Der mit 25.000 Euro dotierte Hauptpreis richtet sich an exzellente Forschende; der mit 5.000 Euro dotierte Nachwuchspreis soll jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein Ansporn sein.
Die Auswahl erfolgt durch eine hochrangige internationale Jury. Der Preis soll von nun an alle zwei Jahre verliehen werden.
Die Preisträger
Hermann Brenner gehört seit Jahren zu den weltweit meistzitierten Krebsforschern. Seine Leistungen sind u.a. der Aufbau weltweit führender Kohortenstudien zur Evaluation der Wirksamkeit der Darmkrebsfrüherkennung, mit denen er eindeutig belegte, dass die Darmspiegelung ein hochwirksames Instrument ist, um sowohl die Neuerkrankungsrate als auch die Darmkrebs-Sterblichkeit drastisch zu senken.
Darüber hinaus ermittelte er, wie sich die Teilnahmerate an der Darmkrebsvorsorge steigern lässt, und identifizierte Risikomarker, über die das individuelle Darmkrebs-Risiko eingeschätzt werden kann. Das ermöglicht zukünftig eine zielgerichtete und effizientere Darmkrebsvorsorge.
Jakob Nikolas Kather arbeitet als Arzt an der Uniklinik Aachen und leitet parallel die Arbeitsgruppe „Computational Oncology“ an der RWTH Aachen. Er absolvierte neben seinem Medizinstudium den Masterstudiengang „Medical Physics“. Seine Forschungsschwerpunkte sind künstliche Intelligenz und „Deep Learning“-Verfahren zur besseren Beurteilung von Gewebeschnitten in der Darmkrebsfrüherkennung. Diese Methoden sollen helfen, die Bösartigkeit von Tumoren besser zu beurteilen und rasch zur richtigen Therapie zu finden.
Präventionsforschung weiter fördern
Michael Baumann verwies in seiner Laudatio darauf, wie wichtig dieser Preis als Anreiz für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Krebspräventionsforschung sei: „Forschungsprojekte, die sich Fragen der Krebsprävention widmen, sind innerhalb der Krebsforschung unterrepräsentiert und unterfinanziert. Für junge Wissenschaftler sind sie leider oft zu wenig attraktiv, denn Erfolge von Krebspräventionsmaßnahmen lassen sich meist erst Jahre oder sogar Jahrzehnte nach ihrer Einführung in der Statistik ablesen. Das verträgt sich nicht mit der Planung einer Karriere“.
Die Stärkung der Krebspräventionsforschung und hierbei beispielsweise die Darmkrebsprävention sind Schwerpunkte der Nationalen Dekade gegen Krebs. So unterstrich auch Anja Karliczek: „Große Potentiale schlummern in der Prävention. Auch diese fördern wir. Etwa durch Projekte, die erforschen, warum Darmkrebs bei jüngeren Menschen zunimmt.“ Mehr zu dieser Förderung im Rahmen der Dekade
Die heißen Eisen der Krebsforschung
Im weiteren Verlauf des Kongresses tauschten sich Forscherinnen und Forscher über den aktuellen Stand der Prävention, Grundlagen-, präklinischen und frühen klinischen Forschung aus. Fokus lag auf Bereichen, die große Hoffnungsträger in der Forschung sind. Als langfristiges Ziel steht seit Jahren die Vision von der personalisierten Medizin im Vordergrund, bei der jede und jeder Betroffene auf individuelle Tumoreigenschaften hin getestet und genau darauf zugeschnitten, womöglich sogar mit eigens für sie oder ihn hergestellten Wirkstoffen behandelt werden kann. Dies ist heute aber meist noch nicht möglich. Ein Grund dafür sind die aufwändigen und teuren Testungen des Tumorgewebes, insbesondere auf genetische und molekulare Veränderungen.
Mediziner sprechen daher in Annäherung des Konzepts derzeit noch von stratifizierter Behandlung: Bereits jetzt werden Patientinnen und Patienten in der Routineversorgung Untergruppen zugeteilt und innerhalb dieser unterschiedlich behandelt.
Die in den verschiedenen Sessions besprochenen Themen zielten auf die Fortentwicklung der personalisierten Medizin ab.
Eindrücke aus den Workshops und Plenarsitzungen
Erörtert wurden auch Möglichkeiten der personalisierten Prävention. Hierbei könnte die epigenetische Medizin helfen, die sich damit beschäftigt, wie epigenetische Veränderungen erkannt und behandelt oder gar verhindert werden können. Die Forschenden sprachen darüber, wie Methoden der molekularen Prävention in die Anwendung gebracht werden können und das Potential der datengesteuerten Medizin und der digitalen Pathologie mittels künstlicher Intelligenz dabei. Auch der aktuelle Forschungsstand zum Einfluss des Alterns (auch ein Vorgang, der zu epigenetischen Veränderungen führt) auf das Krebsgeschehen war Thema.
Die Expertinnen und Experten gingen zudem auf die Weiterentwicklung von Immuntherapien und Drug-Delivery-Systemen ein. Ebenfalls Themen waren die therapiebegleitende Diagnose (so genannte Theranostik), die die Behandlung einer Patientin oder eines Patienten mit dem richtigen Medikament in der richtigen Dosis zur richtigen Zeit ermöglicht, sowie der Aufbau innovativer Forschungsstrukturen und Zentren für die personalisierte Medizin.
Grundlagenforscherinnen und - forscher tauschten sich über spezielle Aspekte der Immuntherapie und ihre Nebenwirkungen aus sowie über genetische Interaktionen, die die Tumor-Evolution vorantreiben und dazu führen, dass Therapien bei Patientinnen und Patientinnen in fortgeschrittenen Stadien oder bei Rückfall nicht mehr wirken.
Mehr zum Themenkomplex Tumorheterogenität, klonale Tumor-Evolution und Therapieresistenz und seiner Erforschung im Rahmen der Dekade gegen Krebs.
Zukunft der Krebsmedizin – personalisierte Therapien rücken näher
Am zweiten Kongresstag ging es in den Sessions zur präklinischen Forschung thematisch um das Durchbrechen von Therapieresistenzen und translationale Forschung zur Heilung von Leukämiepatienten sowie um neuartige Therapiekonzepte zur Behandlung von multiplem Myelom und B-Zell Non-Hodgkin Lymphome.
In Beiträgen zur frühen klinischen Forschung wurde der Fortgang der Übertragung des Konzepts der CAR-T-Zelltherapie auf solide Tumoren diskutiert. Die CAR-T-Zelltherapie ist eine personalisierte Therapie, entwickelt für bestimmte Krebsarten, die das Lymph- und Blutsystem betreffen. Dem Betroffenen werden dafür eigene Immunzellen entnommen und auf seinen Krebs abgerichtet; das machte bis dato unheilbare Krebserkrankungen erstmals heilbar. Nun soll der Ansatz auch bei Krebs, der im festen Gewebe entsteht, versucht werden.
Weitere Inhalte des Austauschs waren die Treffsicherheit molekularer Bildgebung bei der Krebsdiagnose und die Integration molekularer maßgeschneiderter Behandlungsoptionen bei der stratifizierten Krebsbehandlung.
Mit all diesen Themen und Anstrengungen rücken die Forschenden die personalisierte Medizin zum Nutzen aller Patientinnen und Patienten in greifbare Nähe.
Forschungsministerin Karliczek hob hervor: „Der Kongress macht deutlich, wie stark und vielfältig das Engagement gegen Krebs ist. Und dass wir alle ein gemeinsames Ziel haben: Den Krebs Schritt für Schritt zu besiegen!“