„Wirksame Präventionskonzepte entwickeln, die sich dauerhaft umsetzen lassen.“
Ungesunde Verhaltensweisen von vornherein verhindern – wie Krebsprävention entlang des Lebenslaufes gelingen kann, erklärt Ulrike Haug, stellvertretende Institutsdirektorin am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS in Bremen.
Ungesunde Verhaltensweisen von vornherein verhindern – wie Krebsprävention entlang des Lebenslaufes gelingen kann, erklärt Ulrike Haug, stellvertretende Institutsdirektorin am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS in Bremen.
Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs wird in der „Modellregion Bremen“ erprobt, wie Krebsprävention in der Bevölkerung besser werden kann. Wie gehen Sie dort vor?
Unser Ziel ist es, wirksame Präventionskonzepte zu entwickeln, die sich dauerhaft umsetzen lassen. Ein zentrales Element dabei ist die Lebenslaufperspektive, denn im Idealfall gelingt es, ungesunde Verhaltensweisen oder Einflüsse von vornherein zu verhindern. Wir beziehen also auch frühe Lebensphasen mit ein. Beispielsweise entwickeln wir Interventionen zur Raucherentwöhnung bei Schwangeren und deren Partnerinnen oder Partnern oder zur Bewegungsförderung an Grundschulen. Damit die Interventionen Verstetigungspotenzial haben, setzen wir konsequent an bestehenden Strukturen an. Wir eruieren auch das vielfältige Potenzial digitaler Möglichkeiten in der Prävention. Es reicht von individuellen Anwendungen zur Unterstützung von Verhaltensänderungen bis hin zu Online-Kursen für Ärztinnen und Ärzte, um beispielsweise die Qualität der Koloskopie und damit die Wirksamkeit der Darmkrebsfrüherkennung zu verbessern.
Welche sind die größten Herausforderungen, mit denen Sie konfrontiert werden und wie kann man ihnen begegnen?
Herausforderungen gibt es auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Dazu gehört Prävention an sich, denn vorbeugende Maßnahmen haben bei vielen Menschen nicht die höchste Priorität. Das betrifft besonders Menschen, die Prävention am dringendsten benötigen würden. Wir begegnen dem mit möglichst niedrigschwelligen Angeboten und berücksichtigen die verschiedenen Lebenswelten. Außerdem nutzen wir sogenannte „teachable moments“, das heißt Momente oder Anlässe, die zum Umdenken anregen, wie beispielsweise eine Krebsdiagnose in der Familie. Eine andere Herausforderung ist, dass die Rahmenbedingungen der Prävention von politischen Entscheidungen und weiteren Akteuren abhängen. Wir suchen deshalb von Anfang an den Austausch mit Entscheidungsträgern und Akteuren wie Krankenkassen, was etwa beim Thema HPV-Impfung schon sehr gut funktioniert.

Ihre Forschung hat gezeigt, dass Verwandte von Krebserkrankten offener für Präventionsangebote sind. Was folgt daraus?
Daraus folgt, dass es sehr lohnend ist, Konzepte zu entwickeln, um diese Personen bestmöglich präventiv zu versorgen. Verwandte von Krebserkrankten haben nicht nur ein meist moderat erhöhtes Krebsrisiko, sondern die Präventionsangebote fallen offenbar auch auf fruchtbaren Boden. Darüber hinaus ist die Zielgruppe nicht klein. Je nach Alter und Familiengröße gibt es einige, bei denen nahestehende Verwandte an Krebs erkrankt sind. Im Rahmen der Modellregion setzen wir auch an dieser Stelle an und suchen nach Möglichkeiten, wie sich dieses Potenzial umsetzen lässt. Ein Pilotprojekt beispielsweise eruiert die Nutzbarkeit von Krebsregistern, um den Kontakt zu Verwandten der neu gemeldeten Krebserkrankten herzustellen und sie präventiv zu beraten. Der geringe Zeitverzug hätte Vorteile, denn man geht davon aus, dass der „teachable moment“ dann am größten ist. Daneben haben wir die Erhebung der Krebsfamilienanamnese im niedergelassenen Bereich auf der Agenda. Die einfache Frage, ob jemand in der Familie Krebs hat, reicht nicht aus, um Personen mit einem erblichen Krebsrisiko zu identifizieren, die spezielle Vorsorgeuntersuchungen benötigen. Digitale Erhebungsinstrumente könnten hier wertvolle Unterstützung leisten.
Das BMBF fördert in der Dekade auch vier Projekte zur risikoadaptierten Prävention. Welches Potenzial sehen Sie in risikoadaptierter Prävention?
Bei diesen Projekten geht es um die risikoadaptierte Krebsfrüherkennung, d.h. dass es vom individuellen Krebsrisiko abhängt, ob bzw. in welcher Intensität Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung angeboten werden. Das theoretische Potenzial dieses Ansatzes schätze ich als sehr hoch ein. Personen mit sehr niedrigem Erkrankungsrisiko könnten Untersuchungen erspart werden. Außerdem wäre es damit möglich, auch für seltenere Krebserkrankungen Früherkennung anzubieten, für die ein bevölkerungsweites Programm nicht in Frage kommt. Ich sehe aber noch erheblichen Forschungsbedarf, um herauszufinden, ob dieses Potenzial tatsächlich realisiert werden kann. Beispielsweise muss die Abschätzung der individuellen Krebsrisiken noch besser werden und wichtige Fragen der Akzeptanz und Umsetzbarkeit in der Bevölkerung sind zu klären.
Was machen Sie persönlich, um Krebs vorzubeugen?
Ich habe Glück, dass in meiner Kindheit und Jugend die Weichen für das, was man als gesunden Lebensstil betrachtet, richtig gestellt wurden. Ich rauche nicht, trinke kaum Alkohol, habe von Natur aus einen Bewegungsdrang, den ich auslebe, und ernähre mich ausgewogen. Eine Verhaltensänderung war dahingehend also nie notwendig, aber ich kann mir vorstellen, wie herausfordernd es ist. An Maßnahmen der Krebsfrüherkennung nehme ich teil, soweit ich das entsprechende Alter erreicht habe. Das kostet mich durchaus Überwindung, aber ich versuche, diese Entscheidungen „per Kopf“ zu treffen.