5 Fragen an Michael Hallek
Professor Michael Hallek ist Direktor der Klinik I für Innere Medizin an der Uniklinik Köln und des Centrums für Integrierte Onkologie CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf. Sein Ziel ist die schnelle Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in Therapien.
Professor Michael Hallek ist Mitglied des Strategiekreises der Nationalen Dekade gegen Krebs und Direktor der Klinik I für Innere Medizin an der Uniklinik Köln und des Centrums für Integrierte Onkologie CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf. Er hält zusammen mit Professor Michael Baumann, DKFZ, den Vorsitz der Arbeitsgruppe "Große ungelöste Fragen der Krebsforschung" inne. Sein Ziel ist die schnelle Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in Therapien.
Herr Hallek, Sie leiten gemeinsam mit Michael Baumann die Arbeitsgruppe „Große ungelöste Fragen der Krebsforschung“ der Nationalen Dekade gegen Krebs. Welches sind die prioritären Forschungsfragen und wie können sie adressiert werden?
Wir haben in einer gemeinsamen, sehr konstruktiv arbeitenden Arbeitsgruppe die prioritären Forschungsfragen im Sinne von “grand challenges“ (Große Herausforderung der Krebsforschung) herausgearbeitet und erstellen dazu jeweils Eckpunktepapiere mit Förderempfehlungen. Die Themen:
● Tumor-Heterogenität, Klonale Evolution und Therapieresistenz
● Epigenetik, Mikrobiom, Mikromilieu und Metabolom
● Immunonkologie und zelluläre Therapien
● Metastasierung und Minimal Residual Disease
Wir sind überzeugt, dass diese Fragestellungen eine sehr hohe Relevanz haben und durch exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland erfolgversprechend und international sichtbar bearbeitet werden können. Den ersten Themenkomplex adressiert das BMBF bereits durch eine Förderrichtlinie, was uns sehr freut.
Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Grundlagenforschung im Bereich Krebs in Deutschland? Wo sind die Stärken und wo müssen wir noch besser werden?
Ziel ist es, einen herausragenden Forschungsbeitrag zu formulieren. Die Grundlagenforschung zum Thema Krebs in Deutschland ist insgesamt gut aufgestellt. Deutschland zählt sicher zu den führenden Ländern. Allerdings muss man klarstellen, dass im Vergleich zu den USA oder dem Vereinigten Königreich noch deutliche Unterschiede bestehen. Diesen Rückstand müssen wir weiter verkleinern. Die wesentliche Problematik ist, dass wir in der Übersetzung der Grundlagenergebnisse in die klinische Anwendung deutlich schneller und besser werden müssen. Es hat sich weltweit gezeigt, dass in universitären Einrichtungen, in denen Ärztinnen und Ärzte sowie Forschenden an klinischen wie auch wissenschaftlichen Fragestellungen zusammenarbeiten, häufiger große Fortschritte und Durchbrüche erzielt werden. Darüber hinaus gibt es ein weiteres Defizit in Deutschland, nämlich die engere Verzahnung zwischen der forschenden Industrie und den akademischen Zentren. In den großen Zentren der Welt (Boston, Oxford, Cambridge oder Stanford) ist zu beobachten, dass sich am universitären Campus die Industrie ansiedelt, um dort eng zusammenzuarbeiten und Ergebnisse direkt in die Forschung zu übertragen. Hierzu fehlen in Deutschland ähnliche Strukturen an vielen Orten. Diese müssen dringend aufgebaut werden.
Neben der Grundlagenforschung sind klinische Studien die entscheidenden Schritte, um Innovationen zum Patienten zu bringen. Essen/Köln hat den Zuschlag für die Strategiephase als Partner des Netzwerks des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) erhalten. Welche Möglichkeiten eröffnet das neue, größere NCT für die klinische Forschung?
Klinische Studien sind entscheidende Motoren für die Translation von Forschungsergebnissen aus Laborforschung und den experimentellen Systemen in die klinischen Anwendungen. Wir werden im NCT Synergien erzielen, indem wir national eine klinische Studienlandschaft aufbauen, die die Translation beschleunigt und gleichzeitig erlaubt, Top-Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler nach Deutschland zu rekrutieren. Hierzu muss jetzt als erstes eine gemeinsame Vision geschaffen werden. Außerdem wird die wirtschaftliche Nutzung der Forschungserkenntnis auf diese Weise in Deutschland und Europa beschleunigt. Ich erhoffe mir hier einen wirklichen Schub für die Forschung in Deutschland.
Welche Hürden sind auf dem Weg dorthin noch zu überwinden und welche Bedeutung kommt hier der Nationalen Dekade gegen Krebs zu, in der viele Partner und Unterstützer ihre Expertise bündeln?
Die größten Hürden der klinischen Forschung in Deutschland liegen im Bereich der Bürokratie und der Sektorengrenzen der verschiedenen Anbieter im deutschen Gesundheitssystem – also die wechselseitige Abgrenzung von Praxen, nicht-universitären Krankenhäusern und den akademischen Krankenhäusern. Hier ist es wichtig, rechtliche Hindernisse zu überwinden, um die Daten von Erkrankten zu Forschungsaktivitäten unter Berücksichtigung des Datenschutzes austauschen zu können und hier keinen zu großen internationalen Rückstand zu erreichen. An dieser Stelle sollte auch eine enge Verknüpfung zwischen der Industrie und der akademischen Forschung erfolgen. Die Einbeziehung von außeruniversitären Einrichtungen wie der Helmholtz-Gemeinschaft ist hier ebenfalls ein entscheidender Motor für die Beschleunigung der Forschung.
Nach einem Jahr wie diesem: Was wünschen Sie sich für 2021 – als behandelnder und als forschender Onkologe?
Das Wichtigste für mich als forschender Onkologe und Arzt ist, dass wir gemeinsame Visionen verfolgen, die wirklich dem Patienten konkret nutzen. Hier muss ein schnellerer und innovativer Zugang zu Therapien hergestellt werden. Ich erhoffe mir auch konkretere Lösungen für einen vertrauensvollen Austausch von Patientendaten. Letzten Endes möchte ich, dass wir mit dem Start dieser Initiative unser Land wirklich auf der Weltkarte der Krebsforschung als Leuchtturm sichtbar machen. Und ganz persönlich wünsche ich uns allen, dass wir in 2021 mit unseren Lieben wieder unbeschwert zusammen sein und feiern dürfen.