„Ich habe die schwere Zeit der Chemotherapie in etwas Positives für meine Zukunft gewandelt“
Rui Camilo ist freischaffender Fotograf und Krebspatient. Die Fotografie hat ihm dabei geholfen, die Therapie durchzustehen. In seinem Fotografie-Workshop für die DKMS LIFE gibt er diese Erfahrung an andere Patientinnen und Patienten weiter.
Rui Camilo ist freischaffender Fotograf und Krebspatient. Die Fotografie hat ihm dabei geholfen, die Therapie durchzustehen. In seinem Fotografie-Workshop für die DKMS LIFE gibt er diese Erfahrung an andere Patientinnen und Patienten weiter.
Herr Camilo, Sie porträtieren in Ihrer Arbeit als Fotograf viele unterschiedliche Menschen. Was macht die Arbeit mit Krebspatientinnen und Krebspatienten so besonders?
Im Grunde gibt es erstmal keinen Unterschied zwischen der Arbeit mit Krebspatientinnen und -patienten und anderen Menschen, die ich fotografiere. Ich finde sie alle interessant und jeder hat seine Geschichte zu erzählen. Das Besondere ist das Schicksal, das ich mit ihnen teile. Es ist ein unausgesprochenes Verständnis zwischen uns und man hat das Gefühl, dass man diese Menschen kennt, obwohl man so gut wie nichts über sie weiß. Und natürlich hoffe ich auch immer, dass ich mit meiner Arbeit ein bisschen Licht und Kraft in ihren Alltag bringen kann.
Wie kann Fotografie dabei helfen?
Die Zeit, in der man die Kraft aufbringen muss, um den Krebs zu besiegen, kann recht lang sein und oft kann man nicht mehr in seinem Beruf arbeiten. Zu Hause sitzen und grübeln, zieht einen noch mehr runter. Daher ist es unheimlich wichtig, sich eine Aufgabe zu suchen, die einem Spaß macht und Kraft gibt. Das kann alles Mögliche sein: die einen fangen an zu schreiben, andere stellen ihre Ernährung um und fangen an zu kochen und manche entdecken die Fotografie für sich. Eigentlich fotografiert ja jeder, wenn nicht mit einer Kamera, dann doch wenigstens mit dem Handy. Und es liegt in der Natur des Menschen, sich immer etwas verbessern zu wollen. Es ist unheimlich befriedigend, wenn man sich auf einem Gebiet anfängt weiterzuentwickeln, wenn man feststellt, dass die Bilder, die man macht, immer besser werden und immer genauer zeigen, was man ausdrücken wollte. Die Fotografie ist etwas, das man ganz alleine für sich machen kann, aber sehr gut auch mit anderen teilen kann, je nachdem was man gerade möchte oder wie man sich gerade fühlt. Sich ein Thema zu suchen, das man fotografisch auslotet, kann extrem interessant sein und dabei noch Spaß machen und ich hoffe, dass ich das in meinen Seminaren für die DKMS LIFE vermitteln kann, vor allem, weil ich diese Erfahrung am eigenen Leib gemacht habe.
Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Teilnehmern und was bedeutet Ihnen das Projekt persönlich?
In den zwei Stunden des Seminars kann man nicht die gesamte Gestaltungslehre der Fotografie vermitteln, darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, gemeinsam einen ersten Schritt in die richtige Richtung zu machen und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein paar Tipps und Gedanken mit auf den Weg zu geben, damit sie dann selbständig weitermachen können und ihren ganz persönlichen fotografischen Weg finden. Die Rückmeldungen sind durchweg positiv und ich freue mich auch immer über Tipps, wie man einzelne Punkte des Seminars noch verbessern kann. Konstruktive Kritik ist in der Fotografie extrem wichtig, denn meistens will man ja die Bilder, die man gemacht hat, auch zeigen.
Sie waren selbst an Krebs erkrankt. Haben Sie währenddessen Hilfe in irgendeiner Art in Anspruch genommen bzw. gibt es eine Unterstützung, die Sie sich damals gewünscht hätten?
Ich selbst hatte ja schon die Fotografie, die mich durch meine ganze Zeit der Genesung begleitet hat. Allerdings habe ich mir während der Chemotherapie neue Themen gesucht, die ich fotografieren konnte. Als Fotograf arbeiten konnte ich in dieser Zeit nicht und so habe ich mich meinen ganz persönlichen Projekten gewidmet und diese weiterentwickelt. Das hat mir auch geholfen, meine Einstellung zur Arbeit neu zu definieren und ich hatte nach der Therapie die Kraft, meine Arbeitsweise neu zu justieren. So habe ich die schwere Zeit der Chemotherapie in etwas Positives für meine Zukunft gewandelt und ich wünsche jedem, dass er oder sie es ebenfalls schafft, während dieser Zeit die Kraft zu finden, den Grundstein für eine neue, erfülltere Zukunft zu legen.
Wie kamen Sie dazu, sich im Bereich der Krebs-Selbsthilfe zu engagieren? Was möchten Sie anderen Krebspatientinnen und Krebspatienten durch Ihre Arbeit mit auf den Weg geben?
Die tolle Arbeit, die die DKMS LIFE mit Krebspatientinnen und -patienten leistet, begleite ich schon länger als Fotograf. Durch meine eigene Krebsdiagnose war ich plötzlich auch auf der anderen Seite, der Seite des Patienten, und habe die Bedürfnisse, Hoffnungen, Wünsche und Ängste, die jemand hat, der eine Chemotherapie durchlebt, am eigenen Leib erfahren und dadurch noch besser verstanden, wie wichtig es ist, eine positive, lebensbejahende Haltung zu entwickeln, um diese Krankheit zu besiegen.
Die DKMS LIFE ist Unterstützer der Krebsforschungsinitiative Nationalen Dekade gegen Krebs. Welche Hoffnung haben Sie an die Krebsforschung der Zukunft in Deutschland?
Die vielen Gespräche, die ich zum Thema Krebs geführt habe, mit Onkologen, Menschen, die in der Krebsforschung arbeiten, Organisationen wie der DKMS LIFE und nicht zuletzt mit vielen Patientinnen und Patienten, die mir von ihren Erfahrungen im positiven wie negativen Sinne berichteten, haben meine Hoffnungen in die Krebsforschung gestärkt. Die Fortschritte sind enorm, eine Chemotherapie kann immer besser auf den Einzelnen abgestimmt werden und die Nebenwirkungen verringern sich. Das bedeutet nicht, dass eine Chemotherapie ein Zuckerschlecken ist, und das wird es wohl nie werden, aber die Heilungschancen erhöhen sich jedes Jahr und das gibt Hoffnung. Aber auch wenn die Medizin dafür sorgt, dass man körperlich immer besser so eine Krankheit durchsteht, darf man nicht vergessen, was diese Diagnose seelisch mit einem macht. Die Angst, dass man es vielleicht doch nicht schaffen könnte, die Krankheit zu besiegen, was dann aus der Familie wird, ob man vielleicht seinen Job verliert oder nicht mehr ausüben kann – diese Angst kann genauso verheerend sein wie der Krebs selbst. Zum Glück gibt es da Organisationen, die genau an diesem Punkt ansetzen und helfen, die Patientinnen und Patienten aufzufangen.