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„Ich möchte mich für das einsetzen, was die Patienten wollen“

Rainer Hüberts Krebsdiagnose war nicht die erste in seiner Familie. Nach der Behandlung setzt er sich heute als Sprecher der Patientenvertretung am CCC Hannover für die Interessen von allen Krebsbetroffenen ein – und möchte erreichen, dass Patientinnen und Patienten wirkmächtiger werden.

Rainer Hüberts Krebsdiagnose war nicht die erste in seiner Familie. Nach der Behandlung setzt er sich heute als Sprecher der Patientenvertretung am CCC Hannover für die Interessen von allen Krebsbetroffenen ein – und möchte erreichen, dass Patientinnen und Patienten wirkmächtiger werden.

Herr Hübert, Sie bekamen 2016 die Diagnose „fortgeschrittener Knochenmarkkrebs“. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Welche Rolle hat Ihr Umfeld dabei gespielt?

Meine Diagnose war ein Zufallsbefund. Eine Krebsdiagnose an sich war für mich nichts Neues. Meine Frau ist BRCA-Brustkrebspatientin und hat zu dem Zeitpunkt bereits zweimal Brustkrebs gehabt. Durch diese Erfahrung hatte ich damals schon ein großes Vertrauen in unser Gesundheitssystem aufgebaut und so konnte ich mich zuversichtlich in die Hände der Ärzte begeben.

Das Multiple Myelom ist eine der wenigen Krebserkrankungen, die noch nicht heilbar sind. Ich bin einer der wenigen Myelompatienten, die nach sieben Jahren noch immer in Teilremission sind: Nach der Behandlung waren die relevanten Blutwerte kurzzeitig wieder normal, und haben sich bis heute nur geringfügig wieder verschlechtert.

Wie haben Sie Ihre Behandlung erlebt?

Artikelbild Aus Patientensicht Rainer Hübert Artikelbild Aus Patientensicht Rainer Hübert
Rainer Hübert möchte andere Betroffene dazu ermutigen, ihre Stimme zu erheben und sich für ihre Interessen einzusetzen – damit Patientinnen und Patienten echte Mitsprachemöglichkeiten erhalten. © Uta Neufeld

Ich hatte Glück, dass ich in einem zertifizierten Organzentrum behandelt wurde. Dass zum Zeitpunkt meiner Diagnose Antikörpertherapien für diesen Krebs bereits allgemein verfügbar waren, hat wahrscheinlich auch dazu beigetragen, dass es mir noch ziemlich gut geht. Dennoch leide ich unter schwerwiegenden Auswirkungen der Erkrankung und Therapie: Mein Immunsystem hat sich nach der Stammzelltransplantation nicht mehr erholt, mein Asthma hat sich zu COPD entwickelt und ich leide stark unter Fatigue. Beim Multiplen Myelom werden im Knochenmark Immunzellen falsch hergestellt und greifen Organe und Knochen an. Acht Rückenwirbel sind deswegen bei mir zusammengebrochen und ich benötige nun einen Rollstuhl, wenn ich mehr als zehn Minuten gehen oder stehen muss.

Doch nur zuhause zu sitzen, war mir zu langweilig und ich bin Ehrenamtler geworden, unter anderem als Patientenvertreter.

Sie sind Sprecher der Patientenvertretung des CCC Hannover sowie Mitglied der Patientenvertretung des CCC Niedersachsen und eines Landesbeirats Onkologie. Wie unterscheidet sich die Einbindung der Patientinnen und Patienten und Ihre Rolle in den verschiedenen Gremien?

Alle CCCs haben die Vorgabe von der Deutschen Krebshilfe, eine intensivere Patientenbeteiligung umzusetzen. Die meisten bilden einen Patientenbeirat – ein beratendes Gremium, das vom Vorstand lediglich über Entscheidungen informiert wird und sie kommentieren kann. So auch am CCC Niedersachsen.

Dagegen sind die beiden Patientenvertreter an der medizinischen Hochschule in Hannover stimmberechtigte Mitglieder im geschäftsführenden Vorstand des CCC. Das ist ziemlich einzigartig in Deutschland. Ich bin bei allen Vorstandssitzungen dabei, stimme bei allen Entscheidungen mit ab und kann auch selbst initiativ werden. Ich arbeite daran, dass das so auch am CCC Niedersachsen umgesetzt wird.

Comprehensive Cancer Center (CCC)

CCCs sind forschungsorientierte Spitzenzentren in der Krebsmedizin, die von der Deutschen Krebshilfe zertifiziert sind. Die interdisziplinäre Behandlung erfolgt nach aktuellem Stand der Wissenschaft und nach qualitätsgeprüften Leitlinien.

Das CCC Niedersachsen mit seinen beiden Trägereinrichtungen – der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universitätsmedizin Göttingen – ist eines davon. In beiden zusammengeschlossenen Kliniken sind Patientenvertretende eingebunden.

Zum CCC Niedersachsen
Zur Patientenvertretung

Im Landesbeirat Onkologie, den das Land Niedersachsen mit Unterstützung des Forschungs- und des Gesundheitsministeriums im vergangenen Jahr gegründet hat, sind die unterschiedlichsten Akteure des Gesundheits- und Forschungssektors vertreten: von Ministerinnen und Ministern der Landesregierung über Professorinnen und Professoren der onkologischen Zentren bis hin zu Vertreterinnen und Vertretern der Krankenkassen oder von onkologischen Schwerpunktpraxen. Als Patientenvertreter bin ich hier ebenfalls gleichwertiges und stimmberechtigtes Mitglied – eine Möglichkeit viel zu bewegen!

Welche nächsten Schritte sind aus Ihrer Sicht wichtig, um die Patientenbeteiligung in Deutschland weiter voranzubringen?

Aus meiner Sicht sollte es im Bereich der Krebsmedizin selbstverständlich sein, dass in den Leitungsgremien zertifizierter Onkologischer Zentren Patientenvertreter gleichberechtigt beteiligt sind.

Ein wichtiges Thema ist auch die angemessene Honorierung für Patientenvertreter in Kliniken und vor allem in der klinischen Forschung. Das gilt es zu forcieren und ich werde das zum Beispiel im Landesbeirat Onkologie thematisieren.

Generell ist aus meiner Sicht wichtig, dass wir Patientenvertreter uns zusammenschließen, und nicht nur in der Krebsmedizin. Nur gemeinsam kann es uns gelingen, bundesweit eine wirkmächtige Stimme zu erzeugen. Daher möchte ich alle in den Austausch bringen. Denkbar wäre zum Beispiel eine Art „Bundesverband Patientenbeteiligung“, in dem sich alle Patientenbeiräte und -vertretungen Deutschlands zusammenschließen, um so im Gesundheitssystem und der Politik relevant zu werden.

Was wollen Sie persönlich für die Betroffenen erreichen? Was möchten Sie anderen Krebspatientinnen und Krebspatienten, aber auch den Behandelnden und Forschenden, durch Ihre Arbeit mit auf den Weg geben?

Meine Intention als Patientenvertreter ist eigentlich anders, als man es üblicherweise erwarten würde. Mein Ziel ist es nicht, als Myelompatient dafür zu sorgen, dass Myelompatienten besser behandelt werden, sondern ich versuche grundsätzlich den Einfluss von Patienten in der Medizin zu stärken und dafür zu sorgen, dass ihre Bedürfnisse wahrgenommen und durchgesetzt werden.

Ich bin nicht in eigener Agenda unterwegs. Wenn es zum Beispiel stimmt, dass Krebspatienten mehr an besserer Lebensqualität als an einem verlängerten Leben interessiert sind, dann möchte ich mich dafür stark machen. Aber wenn eine Präferenz erst noch ermittelt werden muss, dann ist dies für mich der nächste Schritt, den ich unterstütze. Ich möchte mich für das einsetzen, was die Patienten wollen, auch wenn das heißt, erst einmal herauszufinden, was sie wollen.

Es geht mir um die Möglichkeit echter Mitentscheidung in allen Belangen, die uns Patienten betreffen. Dafür mache ich Politik.

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