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„Sie sind der Patient und nur Sie entscheiden über Ihren Körper!“

Klaus Kronewitz sollte sofort operiert werden, nachdem er die Diagnose Prostatakrebs erhielt. Durch eine ärztliche Zweitmeinung entschied er sich stattdessen für „Active Surveillance“ und hat so wertvolle Jahre gewonnen. Seine Erfahrung gibt er nun weiter.

Klaus Kronewitz sollte sofort operiert werden, nachdem er die Diagnose Prostatakrebs erhielt. Durch eine ärztliche Zweitmeinung entschied er sich stattdessen für „Active Surveillance“ und hat so wertvolle Jahre gewonnen. Seine Erfahrung gibt er nun weiter.

Wann und wie haben Sie von Ihrer Krebserkrankung erfahren?
Ich war 60 Jahre alt und bin zur Routine-Vorsorge gegangen. Dort wurde mir erstmals geraten, den PSA-Wert bestimmen zu lassen. Dieser war deutlich erhöht. Um eine Prostatitis auszuschließen, habe ich eine Woche lang Antibiotika bekommen. Als das PSA danach noch immer erhöht war, wurde ich zum MRT geschickt. Dort wurde ein kleiner dunkler Fleck als suspekt diagnostiziert und somit biopsiert. Denn nur durch eine Gewebeprobe kann man anhand des sogenannten Gleason-Scores die Aggressivität eines Prostatatumors feststellen. Trotz einer sehr geringen Aggressivität sollte ich innerhalb von zwei Wochen operiert werden. Ich war in einem Tunnel und habe überhaupt nichts mehr verstanden.

Daraufhin habe ich im Internet eine Selbsthilfegruppe (SHG) in Berlin gesucht und die SHG Berlin Mitte gefunden. Zu meinem Glück fand eine Woche später ein Treffen statt, wo Herr Prof. Weißbach einen Vortrag hielt. Ich hatte meine Befunde dabei, bat anschließend um seinen Rat. Er sah überhaupt keinen Grund, mich sofort operieren zu lassen und den Verlust von Lebensqualität in Kauf zu nehmen. Vielmehr riet er mir zur aktiven Überwachung mit engmaschigen Kontrolluntersuchungen. Also suchte ich mir einen anderen Urologen, bei dem ich bis heute „Active Surveillance“ (AS) mache. Die letzten sieben Jahre habe ich dadurch mit sehr guter Lebensqualität verbracht. Derzeit steigt mein PSA leider wieder langsam an und ich muss mich für eine Therapie-Option entscheiden, sollte der Wert über 10 steigen, gemäß den S3-Leitlinien für AS.

Sie haben dann selbst eine Selbsthilfegruppe für an Prostatakrebs Erkrankte ins Leben gerufen. Mit welchen Fragen und Anliegen kommen die Teilnehmenden dorthin?
Sie möchten zunächst ihre Befunde verstehen, d.h. die Bedeutung der einzelnen ermittelten Werte. Hierbei können andere Betroffene, die bereits Experten für die eigene Erkrankung geworden sind, sehr gut helfen. Aber: Ärzte müssen sich mehr Zeit für die Übermittlung eines Tumorbefunds nehmen bzw. ein Zweitgespräch vereinbaren, um den Erkrankten mehr Zeit zu geben. Die Diagnose – auch der Pathologie – sollte in einfacher und verständlicher Sprache abgefasst sein.
Betroffene haben auch Angst vor Nebenwirkungen; bei Prostatakrebs sind das in erster Linie Inkontinenz und Impotenz. Aber auch die Nebenwirkungen bei Bestrahlung und Chemotherapie werden häufig erfragt. Des Weiteren sind Problematiken mit den Krankenkassen ein Thema. Teils wird die Untersuchung mit dem PSMA-PET/CT gezahlt, teils nicht. Hier geben wir Hilfestellungen bei Widersprüchen.

Kontakt

Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. (BPS) bietet eine Beratungshotline an. Über den BPS erreichen Sie auch die lokalen Selbsthilfegruppen.

Am Charité Comprehensive Cancer Center (CCCC) erhalten Patientinnen und Patienten mit Krebs eine umfassende Behandlung. Neben der medizinischen Versorgung können Erkrankte und auch Angehörige aus einer Vielzahl von psychosozialen und anderen unterstützenden Angeboten an allen drei Standorten der Charité – Universitätsmedizin Berlin wählen.

Als Sprecher des Patientenbeirats am Charité Comprehensive Cancer Center (CCCC) fungieren Sie als Schnittstelle zwischen Behandelnden und an Krebs Erkrankten. Welche sind die häufigsten Missverständnisse zwischen beiden Seiten und wie kann man sie ausräumen?
Die Sprache und Voraussetzungen beider Seiten sind unterschiedlich. Mediziner sollten „auf Augenhöhe“ zu Betroffenen sprechen, d.h. in einfacher, verständlicher Sprache über die Behandlungsmöglichkeiten aufklären, damit sich die Patientinnen und Patienten abgeholt fühlen und für sich die „richtige“ Entscheidung treffen können. Nicht der Arzt entscheidet!
Zudem setzen beide Seiten jeweils andere Prioritäten. Lebensqualität und Schmerzfreiheit spielen für die Erkrankten eine große Rolle, das Gesamtüberleben für Mediziner und Forschende. Deshalb müssen klinische Studien in Zukunft ausschließlich unter Patientenbeteiligung aufgesetzt werden.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) macht sich im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs für eine Patientenbeteiligung in der Krebsforschung stark. Was braucht es aus Ihrer Sicht, um dies erfolgreich umzusetzen?
Patientenexperten müssen für Mediziner und Forschende echte Forschungspartner und -partnerinnen sein. Qualifizierungsmaßnahmen sind unabdingbar. Wenn aber Patientenvertretungen wie wir z.B. in der Patientenakademie PEAK des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) geschult und qualifiziert werden, um in der Forschung beteiligt zu sein, ist eine gewisse Kompensation erforderlich. Mit einem Ehrenamt kann dieser Aufwand nicht abgedeckt werden.
Und: Wir müssen unbedingt jüngere Patientenvertreterinnen und -vertreter gewinnen und Motivationsfaktoren für diese Art der Beteiligung schaffen.

Die Patientenvertretungen müssen in allen Gremien nicht nur eine Stimme haben, sondern auch Stimmrecht! Aus meiner Sicht müssen sowohl die Patientenvertretungen als auch die Selbsthilfegruppen einen viel höheren Stellenwert bekommen. Was nutzt ein Kooperationsvertrag zwischen Tumorzentrum und SHG, der nur auf dem Papier steht und nicht gelebt wird. Patientenbeteiligung bedeutet für mich also auch Teilnahme an Tumorkonferenzen und an Qualitätszirkeln.
Wichtig ist auch, den Patientinnen und Patienten deutlich zu erklären, was Datenspende bedeutet und dass dies den Folgegenerationen sowie generell der Forschung hilft. Datenschutz darf Forschungsprojekte nicht verhindern.

Zu guter Letzt würden wir Patientinnen und Patienten uns wünschen, dass wir mehr in der Gesundheitspolitik gehört werden und auch mehr an Diskussionen beteiligt werden.

Haben Sie einen Wunsch oder ein Anliegen, dass Sie anderen Krebs-Betroffenen mit auf den Weg geben möchten?
Bitte gehen Sie zur Früherkennung. Vorsorge kann Leben retten! Holen Sie sich vor einer Therapieentscheidung eine Zweitmeinung ein, z.B. bei der Cancer-Hotline der Charité Berlin. Haben Sie Mut, mit eigenen Worten nachzufragen, ob Sie alles richtig verstanden haben. Bitten Sie darum, vor Ihrer finalen Entscheidung eine Nacht darüber zu schlafen. Gehen Sie in ein zertifiziertes Tumorzentrum, das regelmäßig von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifiziert wird. Erkundigen Sie sich, wer für diese spezielle Therapie die größte Expertise hat und die meisten Eingriffe vornimmt. Sie sind der Patient und nur Sie entscheiden über Ihren Körper! Suchen Sie in keinen Fall im Internet nach alternativen Methoden, die nicht evidenzbasiert sind. Leider sind unseriöse von seriösen Angeboten nicht zu unterscheiden. Suchen Sie bereits bei Erstdiagnose eine Selbsthilfegruppe auf, die Sie auffängt.


Für sein großes ehrenamtliches Engagement hat Klaus Kronewitz den Ehrenpreis 2022 des Bezirkes Berlin-Reinickendorf erhalten.

Partner und Unterstützer