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„Nur mit fundiertem Wissen können wir gute Therapieentscheidungen treffen.“

Von der Biologin zur Krebserkrankten zur Aufklärerin: Babett Baraniec hat mehrere Perspektiven auf Krebs. All diese teilt sie mit anderen Erkrankten im Krebs Campus, wo Betroffenen mit Fachwissen und Orientierung geholfen wird.

Sie sind 2012 an Krebs erkrankt. War gleich klar, dass es sich um metastasierten Krebs handelt?

Nein. Das Leberzelladenom ist während der Schwangerschaft gewachsen, wurde aber leider nicht diagnostiziert. Ich bin fehl- bzw. zu spät diagnostiziert worden – ein Problem, das viele junge Krebspatientinnen und -patienten haben. Die Symptome wurden einem Rheumaschub und der Schwangerschaft zugeschrieben. 2013 bin ich dann aufgrund stärker werdender Schmerzen in die Notaufnahme gekommen, dort wurde der Tumor entdeckt und in einer Notoperation entfernt. In dem Adenom hat sich dabei ein Leberkrebs gezeigt. Dieser hat 2014 metastasiert, und seitdem bilden sich jährlich immer neue Metastasen. Vor vier Jahren wurde dann glücklicherweise eine Immuntherapie für meine seltene Krebsart zugelassen, die ich erhalte und die das Tumorwachstum eindämmt. 

Wie ist die Idee für den Krebs Campus entstanden und wie finden Sie trotz der Erkrankung die Energie dafür? 

Die Idee, Patientinnen und Patienten zu schulen, damit sie selbst ihre Krankheit managen können, reifte schon lange in mir. Während Corona haben mein Partner und ich dann beschlossen, einfach loszulaufen und den Krebs Campus zu starten. Als Forscherin – ich bin promovierte Biologin – konnte ich es nicht mehr mit ansehen, wie Schwurbler in den Sozialen Medien beispielsweise vor „Turbokrebs“ auslösenden Impfungen und tödlichen Chemotherapien warnten und welche hohen Reichweiten sie damit erzielten. Ich dachte: Die Krebserkrankten, die das glauben, die sterben jetzt.

Auf dem Bild ist eine lächelnde Frau mit kurzen braunen Haaren abgebildet. Bild von Fr. Baraniec
Babett Baraniec nutzt ihre Erfahrungen und ihr gesammeltes Wissen, um anderen Krebspatientinnen und Krebspatienten zu helfen. © Tobias Kassau

Da viele online nicht zwischen seriösen und unseriösen Informationen unterscheiden können, fallen zahlreiche Krebserkrankte auf Falschinformationen herein. Es wird der Eindruck vermittelt, die Pharmaindustrie habe das Ziel, Krebserkrankten zu schaden – und Ärztinnen und Ärzte würden mit der Pharma unter einer Decke stecken. Erkrankte werden so verunsichert, dass sie dann zu spät oder gar nicht zum Arzt oder zur Ärztin gehen. Das müssen wir verhindern und der Wille dazu treibt mich an.

Welche Lücke schließt der Krebs Campus zwischen vorhandenen Hilfen für an Krebs Erkrankte?

Es gibt ganz viele tolle Informationsquellen, den Krebsinformationsdienst beispielsweise. Aber diese Informationen sind umfangreich und teils auch fachlich. Wir beim Krebs Campus verpacken dieses Wissen in alltagstaugliche Tipps für viele einzelne, konkrete Situationen – die Vorbereitung auf die nächste Untersuchung zum Beispiel, den Umgang mit Fatigue oder das Selbst-Monitoring unter Therapie. Das sind ganz lebenspraktische Informationen. Außerdem bieten wir Foren zum Austausch sowie Materialien zur Tumordokumentation und vieles mehr.

Patientinnen und Patienten wie ich, Metastasierte, sind durch die schnellen Fortschritte in der Forschung und gute Medikamente mittlerweile eine große Population. Wir müssen Expertinnen und Experten unserer Krankheit sein, weil wir tagtäglich und sehr lange mit ihr leben. Wir können nur gute Therapieentscheidungen treffen, wenn wir fundiertes Wissen haben.

Welche Rolle spielt für Sie der Kontakt mit der Community?

Mein Kontakt zur Community ist sehr eng. Ich bekomme viele Nachrichten mit persönlichen Fragen, Ängsten, Sorgen. Es freut mich, dass meine Nahbarkeit Menschen ermutigt, um Hilfe zu bitten. So verlieren wir diese Menschen nicht an diejenigen, die falsches Wissen verbreiten, sondern ich kann ihnen helfen. Mit den richtigen Informationen und etwas Unterstützung können Betroffene schnell lernen, ihre Krankheit selbstständig zu managen. Ich bin glücklich, dass das Konzept des Krebs Campus aufgeht und ich einen Unterschied bewirken kann.
Auch mir selbst spendet diese Community Halt und Zuversicht, wenn ich nach Behandlungen erschöpft oder ratlos bin. Wir fangen uns gegenseitig auf.

Krebs Campus

Der Krebs Campus unterstützt Erkrankte auf vielfältige Weise: mit fundiertem, evidenzbasiertem Wissen über die Krankheit und die Wirkungsweisen von Therapien, mit hilfreichen Infomaterialien und mit einer stetig wachsenden Community, die sich gegenseitig stützt und austauscht. Zu finden ist er auf dieser Website oder bei Instagram. Für den Newsletter kann man sich hier anmelden.

Welche Botschaft möchten Sie anderen Krebspatientinnen und -patienten mitgeben?

Erstens: Wissen ist Macht, gerade in einer Krebserkrankung! 
Das umfasst auch digitales Gesundheitswissen: Wie identifiziere ich seriöse Quellen? Wo finde ich passende Studien? Welche Krankheitsparameter kann ich selbst beobachten, aufzeichnen? 
Nur durch Wissen können wir unsere Krankheit aktiv mitgestalten.

Zweitens: Die Psyche ist unser Fundament!
Nur, wenn wir mental da und bei uns sind, haben wir die Kraft, mit Krebs zu leben. Es ist so gut, dass die Psychoonkologie heute etabliert ist. Jeder Patientin und jedem Patienten rate ich, sie aufzusuchen und sich dort Hilfe zu holen. 

Sie haben mit dem Krebs Campus Ihre eigene Erkrankung zum Beruf gemacht. Haben Sie auch „krebsfreie“ Räume?

Nach der zweijährigen intensiven Gründungszeit des Krebs Campus werden die Rufe aus der Familie und auch die Rufe meines eigenen Körpers nach Auszeiten wieder lauter. Es ist furchtbar wichtig, auf beide zu hören, daher versuche ich, zukünftig etwas runterzufahren.
Wir arbeiten gerade an einem Netzwerk von betroffenen Expertinnen und Experten, um noch mehr Fachwissen in den Krebs Campus zu bringen. Dies bedeutet in Zukunft nicht nur einen großen Benefit für Patientinnen und Patienten, sondern auch Arbeitserleichterung und Erholungszeit für mich.

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