Digitalisierung und Datenschutz
In der Digitalisierung im Gesundheitswesen liegen große Potentiale für Forschende, Versorgende und Betroffene. Sie eröffnet der Krebsforschung neue Möglichkeiten und durch sie gelangen wissenschaftliche Erkenntnisse schneller in den Klinikalltag.
Zu den Handlungsfeldern der Dekade gegen Krebs gehört es, die Krebsforschung auszubauen und deren Erkenntnisse in der Versorgung aktiv umzusetzen. Für beides braucht es Daten und innovative digitale Technologien. Die Dekade wird sich zusammen mit ihren Partnern dafür einsetzen, Deutschland an die Spitze von datengetriebenen Innovationen für die Versorgungsforschung und von Gesundheitsleistungen in der Onkologie zu bringen.
Digitalisierung zum Nutzen des Einzelnen
Seit 2021 können Patientinnen und Patienten ihre medizinischen Daten freiwillig in der elektronischen Patientenakte ablegen lassen. Vorteil: Alle behandelnden Ärztinnen und Ärzte sowie weitere an der Versorgung Beteiligte, beispielsweise Apotheken oder Psychotherapiepraxen, können darauf Zugriff erhalten. So wird ein Gesamtblick auf die Krankengeschichte möglich und Doppeluntersuchungen werden vermieden.
Bereitstellen von Patientendaten zum gesellschaftlichen Nutzen
Die Zukunftsstrategie der Bundesregierung sieht vor, dass bis zum Jahr 2025 an allen Universitätskliniken forschungskompatible elektronische Patientenakten verfügbar sind. Patientinnen und Patienten können einwilligen, dass Forschende ihre dort gespeicherten Daten auch für die medizinische Forschung nutzen dürfen. Im Rahmen der Medizininformatik-Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) finden hierfür bereits grundlegende Harmonisierungsarbeiten statt. Damit wird sichergestellt, dass die Daten so erfasst werden, dass sie später digitalisiert ausgewertet werden können. Auch die Erarbeitung von Richtlinien zu Datenschutz und -Sicherheit sind Grundpfeiler der Initiative.
Die Medizininformatik-Initiative
Mit der Medizininformatik-Initiative sollen die Chancen der Digitalisierung in der Medizin bestmöglich genutzt werden. So arbeiten alle Universitätskliniken Deutschlands gemeinsam mit Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Krankenkassen und Patientenvertretenden daran, passende Rahmenbedingungen zu entwickeln, damit Erkenntnisse aus der Forschung direkt Patientinnen und Patienten erreichen können.
In einem ersten Schritt wurden an Universitätskliniken und Partnereinrichtungen Datenintegrationszentren aufgebaut und vernetzt. In diesen Zentren werden die Voraussetzungen geschaffen, um Forschungs- und Versorgungsdaten standortübergreifend verknüpfen zu können. Gleichzeitig werden für konkrete medizinische Anwendungen innovative IT-Lösungen entwickelt, die die Möglichkeiten moderner digitaler Dienstleistungen und Infrastrukturen im Gesundheitsbereich zeigen sollen.
Die Universitätskliniken und ihre Partner haben sich in vier Konsortien zusammengeschlossen. Eine interaktive Karte zeigt, welche Universitätskliniken, akademischen Partner und Unternehmen deutschlandweit in den Konsortien zusammenarbeiten.
Die Arbeiten werden von einem Nationalen Steuerungsgremium übergreifend koordiniert, um die Passfähigkeit von Datenintegrationszentren und IT-Lösungen zwischen den Konsortien sicherzustellen. Die Zusammenarbeit und Abstimmung der Konsortien wird im Rahmen eines Begleitprojekts koordiniert, das gemeinsam von der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF) e.V., vom Medizinischen Fakultätentag (MFT) und vom Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) durchgeführt wird. Die Webseite der Medizininformatik-Initiative gibt mehr Einblicke zu den Zielen, in die Arbeit der Konsortien sowie den beteiligten Gremien.
Im Forschungspodcast der Nationalen Dekade gegen Krebs „Tatort Krebs“ stellen wir das Projekt PM4Onco vor, das die durch die MII geschaffenen Strukturen nutzt, um onkologische Daten im Tumorboard zusammenzuführen.
Mit dem Fördermodul „Digitale FortschrittsHubs Gesundheit“ der Medizininformatik-Initiative werden – zunächst pilothaft – medizinische Daten aus der ambulanten Versorgung in der Hausarztpraxis über den stationären Aufenthalt im örtlichen Krankenhaus bis zur Versorgung in Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen erfasst und mit den Daten der Unikliniken vernetzt. Vier Hubs widmen sich der Krebsmedizin und adressieren Ziele der Nationalen Dekade gegen Krebs.
KI findet krebsrelevante Zusammenhänge
Ein wichtiger Treiber der digitalen Revolution ist Künstliche Intelligenz (KI). KI-getriebene Programme verfügen über Algorithmen, die schnell und präzise Zusammenhänge in großen Datenmengen erkennen. Das BMBF fördert im Rahmen der Maßnahme „Computational Life-Sciences“ die Entwicklung von KI-Methoden für den Bereich der Biomedizin und der Krebsforschung. Außerdem fördert es sechs Kompetenzzentren, die KI-Methoden und ihre Anwendungen in unterschiedlichen medizinischen Bereichen erforschen. Diese werden durch das Deutsche Netzwerk für Bioinformatik-Infrastruktur komplementiert, das eine Rechen-Cloud, Softwarewerkzeuge, Datenbanken und Schulungsangebote zur Verfügung stellt.
Die Einsatzmöglichkeiten Künstlicher Intelligenz in der Onkologie zeigt die vom BMBF geförderte Plattform Lernende Systeme.
Plattform Lernende Systeme: Mit KI gegen Krebs
Mit KI-basierten Assistenzsystemen soll die Behandlung von Krebs in Zukunft so zielgerichtet und individuell wie nie zuvor gelingen. Im Zentrum des Anwendungsszenarios „Mit Künstlicher Intelligenz gegen Krebs“ steht ein solches System, das Ärztinnen und Ärzte bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützt. Die Arbeitsgruppe „Gesundheit, Medizintechnik, Pflege“ der Plattform Lernende Systeme hat es erarbeitet. Ihr Fokus liegt vorerst auf einer der häufigsten Krebsarten: Lungenkrebs.
Das Szenario veranschaulicht, wie Ärztinnen und Ärzte mithilfe KI-basierter Assistenzsysteme auf weltweite Informationsquellen zugreifen – von der Vorsorge über die Diagnose bis hin zur Therapie.
Über eine Datenplattform werden umfangreiches medizinisches Wissen, neueste Leitlinien und weltweite, anonymisierte Patientendaten miteinander verknüpft. Künstliche Intelligenz ermöglicht es, die riesigen Mengen an Versorgungsdaten und den stark wachsenden Wissensschatz auszuwerten und zu analysieren.
Mithilfe der Ergebnisse können Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten maßgeschneidert beraten – unter Berücksichtigung neuester Forschungsergebnisse – und Prävention, Früherkennung und Behandlung von Krebs verbessern.
Damit Lernende Systeme in Zukunft den Krebspatientinnen und -patienten zugutekommen können, sind noch einige Herausforderungen zu meistern: Wie schützen wir die personenbezogenen Daten? Wer haftet für mögliche Fehleinschätzungen? Und wie können die Einschätzungen von KI-Systemen transparent und nachvollziehbar werden? Diesen Fragen widmen sich die Expertinnen und Experten der Arbeitsgruppe „Gesundheit, Medizintechnik, Pflege“.
Die Multimediareportage zum Anwendungsszenario finden Sie hier.
Apps können die Vorsorge, Verlaufskontrolle und Therapie unterstützen
Im Zuge der Digitalisierung werden immer mehr Apps für Patientinnen und Patienten entwickelt. So gibt es Apps, die ergänzend zu den ärztlichen Untersuchungen zur Selbstuntersuchung der Brust anleiten oder bei der Prävention von Hautkrebs helfen. Auch die Verlaufskontrolle einer Krebserkrankung kann mithilfe webbasierter Systeme digitalisiert werden, was wiederum die schnelle Anpassung von Therapien ermöglicht.
Die App Mika - Mein interaktiver Krebsassistent unterstützt beispielsweise Krebsbetroffene dabei, aktiv an ihrer Behandlung mitzuwirken und ihre Lebensqualität zu verbessern. Neben einem Symptom-Tagebuch, Erinnerungsfunktionen für die Medikamenteneinnahme und Tipps gegen Nebenwirkungen hält die App auch psychoonkologische Kursprogramme bereit. Die personalisierten Empfehlungen basieren auf einer Kombination aus Machine-Learning-Technologien und einer umfassenden Wissensdatenbank. Die Inhalte wurden in Zusammenarbeit mit onkologischen Forschungseinrichtungen und Tumorzentren wie der Berliner Charité und dem Universitätsklinikum Leipzig entwickelt.
Das vielfältige, sich ständig weiterentwickelnde Unterstützungsangebot von Apps und ihre einfache Anwendung tragen dazu bei, die Versorgung, einschließlich der Onkologie, positiv zu beeinflussen.
Wichtig für Nutzerinnen und Nutzer ist, in der Fülle des Angebots zu unterscheiden, ob es sich um eine normale Gesundheits-App oder ein zertifiziertes Medizinprodukt handelt. Für das CE-Zertifikat („Conformité Européenne“, also Konformität mit europäischen Richtlinien) muss der App-Anbieter die medizinische Wirkung der App genau nachweisen und ebenfalls aufzeigen, wer für die Richtigkeit der Inhalte verantwortlich ist, oder wie die App mit den gesundheitsbezogenen Daten umgeht.
Daten besser nutzen
Medizinische Forschung braucht Daten. Erst die Analyse großer Datenmengen lässt Zusammenhänge erkennen, die eine einzelne Ärztin oder ein einzelner Arzt anhand der eigenen vergleichsweise geringen Patientenzahl bestenfalls erahnen kann.
Bei jeder Krebspatientin, jedem Krebspatienten entstehen im Laufe der Erkrankung unzählige Daten: Laborwerte, radiologische Bilder, pathologische Schnitte oder Arztbriefe, zudem Analysen des Tumorgewebes. Dazu kommen Datensätze, die Forschende in klinischen Studien oder in der Grundlagenforschung schaffen. Die Nationale Dekade gegen Krebs will erreichen, dass diese Informationen besser genutzt werden. Mit der Fördermaßnahme „DataXperiment“ fördert das BMBF daher innovative Forschungsprojekte zur Wieder- oder Weiterverwertung bestehender Daten und Tools in der Krebsforschung.
Herausforderungen in der Datenzusammenführung
Am Rohstoff Daten mangelt es nicht. Doch bislang liegt dieser oft verstreut vor. Die Zusammenführung ist technisch eine Herausforderung, da bislang jede Arztpraxis, jede Klinik oder Forschungsinstitution ein eigenes IT-System nutzt. Auch liegen noch nicht alle Daten in computerlesbarer Form vor. Außerdem müssen die Daten einheitlich benannt und annotiert sein. Auch hier fehlt es zum Teil noch an Standards.
All das führt dazu, dass die vorliegenden Informationen bislang noch zu wenig miteinander in Zusammenhang gesetzt werden können. Die Medizininformatik-Initiative des BMBF ist dabei, dies zu ändern.
In der Nationalen Dekade gegen Krebs werden neue Ansätze der Datenanalyse gefördert, um Forschungsrelevantes besser aus existenten Daten zu filtern und zu nutzen: Acht Daten-Hubs haben in der ersten Förderrunde ihre Arbeit aufgenommen. Auch die Kultur des Datenteilens soll damit beflügelt werden.
Bereitschaft zur Datenspende
Jede Bürgerin und jeder Bürger bestimmt grundsätzlich selbst, für welche Zwecke und wie lange die eigenen Daten verwendet werden dürfen. Die Mehrzahl ist laut einer Umfrage im Auftrag der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF) e.V. zu einer solchen „Datenspende“ bereit. Das ist wichtig, denn die Forschung ist auf die Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten angewiesen. Zugleich können diese Daten tiefe Einblicke in den Gesundheitszustand und den Lebenswandel eines Menschen ermöglichen – teilweise sogar Vorhersagen zur Krankheitsentwicklung erlauben.
Datenschutz im Gesundheitswesen
Patientendaten müssen verantwortlich genutzt und vor unzulässigen Zugriffen geschützt werden. Das datenschutzrechtliche Prinzip der Datensparsamkeit fordert, grundsätzlich nur die für den jeweiligen Zweck erforderlichen Daten zu verarbeiten und personenbezogene Daten nach Möglichkeit zu anonymisieren oder zu pseudonymisieren.
Kurz erkärt: Pseudonomisierung und Anonymisierung von Daten
Von Pseudonymisierung spricht man, wenn die medizinischen Daten von den persönlichen getrennt werden und nur über einen Schlüssel von einer berechtigten Person wieder zusammengefügt werden können. In diesem Fall kann der Betroffene bei neuen Entwicklungen noch einmal kontaktiert werden. Eine Anonymisierung dagegen bedeutet die endgültige Trennung zwischen Daten und persönlichen Angaben – es ist dann nicht mehr möglich, die dahinterstehende Person später wiederzufinden. Außerdem können diese Daten nicht für Langzeitstudien genutzt werden, bei denen Forschende fortlaufend neue Daten den bereits vorhandenen zuordnen müssen.
Bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für die medizinische Forschung ist diesen unterschiedlichen Anforderungen und Interessenlagen angemessen Rechnung zu tragen. Hierzu trägt der Förderschwerpunkt „Ethische, rechtliche und soziale Aspekte der modernen Lebenswissenschaften“ (ELSA) des BMBF bei. Ziel der dort geförderten Forschungsprojekte: wissenschaftlich-technologisch fundierte Analysen und Bewertungen erarbeiten und gegebenenfalls Handlungsoptionen für die betroffenen Akteure aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft aufzeigen.