„Wir wollen synthetische Immunzellen herstellen“
Die synthetische Immunologie zielt darauf ab, im Labor maßgeschneiderte Moleküle und Zellen zu entwickeln. Mit diesen könnte Krebs noch effektiver und kostengünstiger bekämpft werden.
Prof. Kerstin Göpfrich, Expertin für Molekulares Engineering, sprüht vor Begeisterung, wenn sie das neue Forschungsfeld der synthetischen Immunologie erklärt: „Wir arbeiten an einem Verfahren, um aus kleinsten biologischen Bausteinen künstliche Zellen zu konstruieren, die zukünftig gezielt Infektionskrankheiten und Krebs behandeln können.“

Die junge Molekularbiologin und Bio-Physikerin hat gerade gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern einen Artikel im Magazin Nature Nanotechnology veröffentlicht. Sie stellen ein „Bottom-up“- Verfahren vor, das künstliche Immunzellen aus molekularen Komponenten neu zusammensetzt.
Optimal zugeschnitten und verträglich
Die innovative Methode unterscheidet sich vom bereits praktizierten „Top-down“-Verfahren, bei dem natürliche Immunzellen entnommen und genetisch verändert werden. Ein Beispiel dafür ist die CAR-T-Zelltherapie, die die Behandlung einiger Krebsarten revolutioniert hat, aber sehr teuer ist und mit zum Teil schweren Nebenwirkungen verbunden sein kann.
„Wir wollen künstliche Immunzellen aus einzelnen Bausteinen zusammensetzen anstatt patienteneigene Zellen zu verändern“, sagt Göpfrich. Diese könnten trotzdem individuell auf die Krankheit einer Patientin oder eines Patienten abgestimmt sein. Die „Bottom-up“- Methode sei dafür bestens geeignet, zudem kostengünstig und die vollständig aus ingenieurswissenschaftlich zusammengesetzten Materialien sind außerdem sehr anpassbar.
Präzise Werkzeuge für kleinste Abmessungen
Prof. Göpfrich und ihre Projektpartner nutzen Technologien aus der synthetischen Biologie und der Nanotechnologie. Die Vorsilbe Nano deutet schon darauf hin: Alles geschieht in extrem kleinen Dimensionen. Um in diesen Bereichen zu arbeiten, bedienen sie sich unterschiedlicher Werkzeuge – zum Beispiel dem sogenannte „DNA Origami“. Damit lassen sich komplexe dreidimensionale Nano-Gerüste für verschiedene Anwendungen maßschneidern. Dann überlegen die Forschenden, mit welchen Eigenschaften sie das Gerüst ausstatten müssen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Das Ziel könnte beispielsweise ein Molekül sein, das passgenau an Krebszellen bindet und einen angehefteten Arzneistoff einschleust. Durch die Präzision bei der Verabreichung wäre eine geringere Wirkstoffdosis erforderlich.
Mikrofluidik für die Verpackung
Eine weitere Schlüsseltechnologie in der synthetischen Immunologie ist die Mikrofluidik. Mithilfe der Ingenieurstechnik bilden sie Membranen nach und stellen winzige Vesikel her, die als Behälter für künstliche Zellen oder kleinere biologische Einheiten dienen.
Das Ziel: synthetisch hergestellte Immunzellen
Obwohl die Forschenden noch keine vollständig synthetischen Immunzellen hergestellt haben, konnten sie funktionsfähige Komponenten entwickeln. Am Ende sollen alle Elemente zusammenarbeiten. Die Komplexität eines voll funktionsfähigen Systems, das die Umwelt erkennt und darauf reagiert, ist immens. Bis ein solches System funktioniert, bleibt noch viel Forschungsarbeit zu leisten – Prof. Göpfrich und ihre Kollegen, das ist sicher, werden dranbleiben.