Nachhaltige Forschung für junge Krebsbetroffene
Krebs wird gemeinhin als Krankheit des Alters bezeichnet; das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 69 Jahren. Aber Krebs trifft auch junge Menschen. Sie haben besondere Bedürfnisse.
Etwa 16.500 junge Frauen und Männer im Alter zwischen 18 und 39 Jahren bekommen jährlich die Diagnose Krebs. Dank immer besserer Heilungschancen können über 80 Prozent von ihnen langfristig geheilt werden. Sie werden als „Cancer Survivor“ (Krebsüberlebende) bezeichnet.
Ärztinnen und Ärzte müssen sich daher vermehrt mit Langzeitfolgen von Krebserkrankungen und ihrer Therapie auseinandersetzen. Dazu braucht es Forschung, doch nach wie vor mangelt es an systematischen und qualitativ hochwertigen Untersuchungen insbesondere in der jungen Altersgruppe.
Studien-Teilnahme hilft Versorgung junger Erwachsener mit Krebs zu verbessern
Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs möchte dazu beitragen, die Datenlage zu ändern. Sie hat im Juli 2022 ein Studienportal für junge Erwachsene mit und nach Krebs zwischen 18 und 39 Jahren gestartet. Mit einer Registrierung im Portal können sich die Betroffenen über wissenschaftliche Projekte und Befragungen informieren und sehr niederschwellig und unkompliziert daran teilnehmen. Zum Studienportal
Derzeit stehen den registrierten Betroffenen zwei Studien zur Verfügung:
Fruchtbarkeitsverlust: Studie zu Ängsten, Bedürfnissen und Kommunikationsverhalten zwischen Behandlern und Patientenschaft
Die erste Studie untersucht im Rahmen einer Masterarbeit an der Universität Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, welche Rolle die Themen Fertilität und Kinderwunsch bei jungen Erwachsenen mit Krebserkrankungen einnehmen. In einem Online-Fragebogen wird u.a. abgefragt, welche Ängste vor dem Verlust der Fertilität besonders stark vertreten sind, wie die Aufklärung über fertilitätserhaltende Maßnahmen aussah und wie die Kommunikation zwischen Behandelnden und den Betroffenen generell ablief.
Diese Erhebung ist unabhängig von der Krebsart.
Langzeitfolgen nach Therapie von aggressivem Lymphdrüsenkrebs: Erfassung aus Patientensicht
Die zweite verfügbare Studie mit dem Titel „Leben mit Lymphom“ hat es sich zum Ziel gesetzt, Langzeitfolgen von Therapien bei aggressivem Lymphdrüsenkrebs zu identifizieren. Dazu wurde vom Studienteam um Prof. Dr. med. Björn Chapuy, dem Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Aggressive Lymphome der German Lymphoma Alliance und leitenden Oberarzt der Sektion Lymphome an der Charité, Universitätsmedizin Berlin, ein Online-Fragebogen entwickelt.
Das Ausfüllen dauert etwa 30 Minuten.
Im Laufe der Zeit sollen immer neue Studien hinzukommen. In Vorbereitung ist etwa eine Studie zum Leben mit CML (Chronisch Myeloischer Leukämie).
Große Vorteile des Studienportals
Geprüfte Qualität
Die Studien des Portals werden durch den Wissenschaftlichen Beirat der Stiftung sorgfältig auf ihre Qualität und den Nutzen für die Zielgruppe der jungen Erwachsenen anhand festgelegter Qualitätskriterien geprüft.
Verschlüsselungsart der Daten erlaubt Nachfragen
Zudem werden einzelne Projekte so pseudonymisiert, dass die persönlichen Daten der Teilnehmenden zum einen geschützt sind, jedoch eine Verknüpfung mit vorhandenen Datenbeständen aus Diagnose und Behandlung der Befragten möglich sein wird. Dies würde den Informationsgehalt und die Qualität der Projekte bedeutend verbessern.
Mit Errichtung des Studienportals kann die Stiftung darüber hinaus auch in Zukunft eigene wissenschaftliche Projekte initiieren und realisieren.
Hintergrund:
Insbesondere junge Betroffene wollen und müssen wieder ins Berufsleben zurück. Manche standen vor der Diagnose gerade vor dem Berufseinstieg oder waren in Ausbildung. Andere befanden sich in der Familienplanung oder hatten sich damit noch nicht konkret befasst. Für sie und ihre betreuenden Ärztinnen und Ärzte ergeben sich vielfältige Fragen, wie es nach der Behandlung weitergeht.
Bislang gibt es keine Leitlinie zur Langzeitnachsorge der Betroffenen. Umfassendes Studienmaterial, das neben der medizinischen auch die sozialen und gesellschaftlichen Perspektive einbezieht, wäre hierfür die Voraussetzung. Will man ihnen helfen, bedarf es weiterer Forschung. Dabei sollte die Sicht der Betroffenen bereits in den ersten Stadien der Studiengestaltung durch Patientenbeiräte eingebracht werden.
Für fehlende Daten zur jungen Betroffenengruppe gibt es viele Gründe: So sind in den letzten fünf Jahren überhaupt nur rund ein halbes Dutzend Publikationen aus Deutschland dazu erschienen. „Viele der auftretenden Probleme sind nicht im Detail bekannt. Wir kennen beispielsweise das Ausmaß und die Ursachen finanzieller Sorgen der jungen Patientinnen und Patienten nicht ausreichend. Gleiches gilt für die Probleme bei der Wiederaufnahme der Arbeit“, sagt Prof. Dr. med. Mathias Freund, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs. Insbesondere psychosoziale Studien hätten häufig mit methodischen Defiziten zu kämpfen. So sind die Umfragen meist anonymisiert, was Doppelerfassungen nicht ausschließen lässt und Fehlerkorrekturen praktisch unmöglich macht. Oft seien Diagnosen und Behandlungen mangelhaft erfasst, denn die Patientinnen und Patienten selbst könnten oft nur unzureichend Auskunft geben.
Durch die gleichzeitige Anonymisierung wiederum ist ein Rückgriff auf eventuell vorhandene Studiendaten nicht möglich.
Die Webseite der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs bietet hilfreiche Informationen zum Umgang mit der Erkrankung sowie Beratung für Betroffene.