Mit Quantentechnologien gegen Krebs
Ein Quanten-Neuroanalysator? Hyperpolarisation? Gekoppelte Photonenpaare? Was nach Science Fiction klingt, soll die Diagnostik und Therapie von Krebs revolutionieren. Ein Einblick in die wunderbare Welt der Quantentechnologien.
Ein Quanten-Neuroanalysator? Hyperpolarisation? Gekoppelte Photonenpaare? Was nach Science Fiction klingt, soll die Diagnostik und Therapie von Krebs revolutionieren. Ein Einblick in die wunderbare Welt der Quantentechnologien.
Jürgen Beck ist ein bodenständiger Mensch. Der Neurochirurg und ärztliche Direktor am Universitätsklinikum Freiburg trifft im OP jeden Tag Entscheidungen, die das Leben seiner Patientinnen und Patienten fundamental beeinflussen. Schon deshalb ist dem Familienvater jegliche Träumerei fremd. Warum also begeistert sich Jürgen Beck für ein Instrument, das nach Science Fiction klingt: den Quanten-Neuroanalysator?
Knapp 10 Millionen Euro investiert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis 2027 in die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der insgesamt acht DiaQNOS-Partner. Es ist eines der Projekte, die die Zukunft ein Stück näher rücken.
Quantentechnologien gelten als zukünftige Schlüsseltechnologie. Ihnen werden vielfältige Einsatzmöglichkeiten auf unterschiedlichsten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Feldern prognostiziert – wie zum Beispiel in der Krebsmedizin. Rund eine halbe Million Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr an Krebs, Tendenz steigend. Auf der Basis von Quantentechnologien wollen Forschende und Unternehmen Instrumente entwickeln, die die Krebsdiagnostik und
-therapien auf ein ganz neues Niveau heben. Für Patientinnen und Patienten bedeutet das bessere Heilungschancen.
Den Stoffwechsel von Krebszellen sichtbar machen
Während Jürgen Beck und das DiaQNOS-Team ein völlig neues medizinisches Instrument im Auge haben, setzt ein Forscherteam aus Ulm, Freiburg und München auf ein altbewährtes Gerät.
Heutige Magnetresonanztomographen (MRTs) ermöglichen Medizinerinnen und Medizinern wertvolle Einblicke in Gewebeschichten. Sie lesen magnetische Zustände von kleinsten Bestandteilen im menschlichen Körper punktgenau aus und machen sie in Bildern sichtbar. Das Problem: MRTs sind nicht empfindlich genug, um Informationen über den Stoffwechsel von Zellen zu liefern. Gerade diese Informationen wären aber entscheidend, um Tumoren früh zu diagnostizieren oder Therapieerfolge zu bestimmen. Den Stoffwechsel von Krebszellen mithilfe herkömmlicher MRTs darzustellen, hat sich ein Team aus mehreren Hochschulen, Unikliniken und Technologieunternehmen vorgenommen. Dafür setzen die Partner des Projekts „QuE-MRT“ auf die quantenmechanischen Eigenschaften von Atomen.
Die QuE-MRT-Technologie soll Medizinerinnen und Medizinern künftig ganz neue diagnostische Möglichkeiten eröffnen: „Mit Hilfe der Quantenmechanik können wir erstmals schnell und zuverlässig den Stoffwechsel von Tumorzellen in gewöhnlichen MRTs sichtbar machen“, sagt Ilai Schwartz, CTO von Nvision Imaging Technologies. Neben dem Ulmer Unternehmen, das das Projekt koordiniert, beteiligen sich u.a. Universitäten und Universitätskliniken in Freiburg, Ulm und München. „Das BMBF fördert QuE-MRT seit 2022 und noch bis 2026 mit insgesamt 15,8 Millionen Euro.
Und den nächsten Schritt hat Ilai Schwartz schon im Blick: „Ab 2025 wollen wir im Rahmen von QuE-MRT erste klinische Studien durchführen, damit Krebspatientinnen und -patienten möglichst bald von präziseren Diagnosen durch die hyperpolarisierte Magnetresonanztomographie profitieren werden.“
Brillante Bilder für bessere Diagnosen
An der Technischen Universität Darmstadt verfolgt Markus Gräfe einen ganz anderen Ansatz auf Basis von Quanten. Der Professor für Experimentelle Festkörper-Quantenoptik und sein Team entwickeln ein Diagnoseverfahren, mit dem Laborproben viel genauer untersucht werden können als bislang. Dafür setzen sie auf eine fast magisch anmutende Übertragung von Informationen.
Bislang bestrahlt Laborpersonal Gewebeproben von Patientinnen und Patienten meist mit Infrarotlicht. Dadurch werden Moleküle in der Probe zum Schwingen gebracht. Die Schwingungen unterscheiden sich dabei je nach Art der Moleküle. So zeigen zum Beispiel bestimmte Moleküle, die in einem krebstypischen Protein enthalten sind, ein charakteristisches Schwingungsmuster.
Das Problem: Infrarotlicht eignet sich zwar gut, um die Moleküle ins Schwingen zu bringen, aber schlecht, um das zurückgeworfene Licht aufzufangen und auszuwerten. Kontrastarme Bilder sind die Folge. Die Lösung, an der Markus Gräfe von der TU Darmstadt und die insgesamt neun Forschungs- und Unternehmenspartner des Projekts „QUANCER“ arbeiten ist eine quantenoptische Bildgebung, die auf „gekoppelten Photonenpaaren“ basiert:
Das QUANCER-Team nutzt also Infrarotlicht, um Informationen aus dem Gewebe zu gewinnen, und sichtbares Licht, um ein Bild von brillanter Qualität zu erzeugen. Den Austausch der Informationen zwischen den Lichtteilchen der jeweiligen Art machen Quantentechnologien möglich.
Eine Frage der Zeit
Der Einsatz von Quantentechnologien in der Krebsdiagnose und -behandlung klingt nach ferner Zukunft, aber zum Teil ist die klinische Anwendung bereits in Sichtweite. Und so ist es wohl eine Frage der Zeit, bis die ersten Patientinnen und Patienten von hochpräzisen Diagnosen auf Basis quantenoptischer Bildgebung profitieren oder mit quantensensorischen Hilfsmitteln operiert werden. Und bis Science-Fiction-Anwendungen in der Diagnostik und Therapie von Krebs Realität werden.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Projekte DiaQnos, Que-MRT und QUANCER von 2022 bis 2026/27 mit insgesamt 31,2 Millionen Euro.
Die Fördermaßnahme trägt zum „Handlungskonzept Quantentechnologien“ der Bundesregierung bei, in dessen Rahmen Quantentechnologien für Wirtschaft, Gesellschaft und staatliche Institutionen nutzbar gemacht werden sollen. Unter diesem strategischen Dach fördert das BMBF im Rahmen seines „Forschungsprogramms Quantensysteme“ die Entwicklung neuartiger Quantensensoren. Die Mission des Forschungsprogramms ist es, Deutschland in der nächsten Dekade im europäischen Verbund im Quantencomputing und in der Quantensensorik an die Weltspitze zu führen und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in den Quantensystemen auszubauen.