Neue Zahlen zur Krebssterblichkeit in Europa
Eine aktuelle Prognose zur Krebssterblichkeit in der EU rechnet mit weniger Krebstoten im Jahr 2021, verglichen mit 2015. Investitionen in Prävention und neue Therapien zeigten Wirkung, müssten bei einigen Entitäten jedoch intensiviert werden.
Die Schätzung wird von internationalen Forschenden seit 2011 vorgenommen; diese ist die elfte. Als Datengrundlage dienten die Datenbank zu Sterbedaten der WHO, die die Mitgliedsstaaten jährlich aus deren nationalen Registern melden – in Deutschland sind das die Krebsregister –sowie globale Todesursachenstatistiken (Eurostat Databases). Die Forscherinnen und Forscher errechneten daraus eine Prognose für die zehn häufigsten Krebsarten, aktuell für das Jahr 2021, und verglichen sie mit den Zahlen des Jahres 2015.
Die Ergebnisse der Studie
Bei den meisten Krebsarten sinken die Todesfälle
Nimmt man die Werte des Reports zu allen Krebsarten zusammen, zeigt sich ein stetiger Rückgang der Krebssterblichkeit in allen großen westlichen EU-Mitgliedsstaaten. Bei Männern beträgt er im Schnitt 6,6 Prozent und bei Frauen 4,5 Prozent. Die Autoren gehen zudem davon aus, dass seit 1989 in der EU27 fünf Millionen Krebstodesfälle verhindert wurden.
Die Krebsarten mit den meisten Todesfällen
Schlüsselt man die in der Studie ermittelten Werte nach Krebsarten auf, zeigt sich, dass Lungenkrebs mit 32,2 pro 100.000 EU-Bürgerinnen und -bürgern noch immer die höchste Sterblichkeit bei beiden Geschlechtern aufweist. Zwar sind die Todesfälle bei Männern im Vergleich zum Jahr 2015 um 10 Prozent gesunken, bei Frauen steigen sie jedoch weiter an mit geschätzten 6,5 Prozent pro Jahr.
Im weiblichen Teil der Bevölkerung ist die Krebsart mit den zweithöchsten Sterberaten Brustkrebs: 13,3 von 100.000 EU-Einwohnerinnen werden nach der Studie voraussichtlich 2021 an der Erkrankung sterben. Die Zahl ist verglichen mit 2015 um 7,8 Prozent gefallen. Als dritthäufigste Krebstodesursache folgt bei Frauen das Kolorektale Karzinom (Darmkrebs), im Schnitt versterben 8,43 pro 100.000 Frauen daran.
Männer versterben krebsbedingt am zweithäufigsten am Kolorektalen Karzinom (15,45 Betroffene pro 100.000) und am dritthäufigsten an Prostatakrebs (9,44 pro 100.000).
Die Prognose für weitere Krebsarten
Die Zahlen der Menschen, die an Magenkrebs und Leukämien sterben, sinken bei beiden Geschlechtern. Bei Männern sinkt neben Lungenkrebs auch die Sterblichkeit für Blasenkrebs um 10 Prozent. Bei beiden Geschlechtern zeigt sich beim Kolorektalen Karzinom, Prostata-, Brust- und Eierstockkrebs ein erfreulicher Trend zum Rückgang der Sterblichkeit. Beim Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs) gibt es keine große Veränderung, bis auf einen kleinen Rückgang bei jüngeren Männern. Die Erkrankung ist noch immer die vierthäufigste Krebstodesursache in der EU.
Bewertung der Daten
Die Studie wurde in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Annals of Oncology veröffentlicht. Im Editorial der Ausgabe bezeichnen die Editoren Daten als Schlüssel, um die Vergangenheit zu verstehen und zukünftig für Verbesserungen sorgen zu können. Sie schreiben die abnehmenden Raten von bösartigen Tumoren, wie Magen- und Blasenkrebs, den Bemühungen zur Reduzierung der mit diesen Krebsarten assoziierten Risikofaktoren zu (Tabakkontrollmaßnahmen und die Bekämpfung anderer Risikofaktoren wie ungesunder Ernährung, Begrenzung des Alkoholkonsums, Steigerung der körperlichen Aktivität und Vorsichtsmaßnahmen gegen Strahlung). Zudem habe die Verbesserung von Prävention, Screening (gezielte Früherkennung), Diagnose und Behandlung dazu beigetragen. Insbesondere die Abnahme der Leukämieraten, aber auch anderer Krebsarten, seien wahrscheinlich auf die Fortschritte der Behandlungsmethoden zurückzuführen.
Doch nicht alle Ergebnisse seien ermutigend. An der sehr schlechten Prognose des Pankreaskarzinoms hat sich nach dem Report in den letzten zwei Jahrzehnten nicht viel verbessert. Ebenso gäbe es weiterhin hohe Raten beim Lungenkrebs und diese stiegen bei Frauen weiter an; die Überlebenschancen bei Lungenkrebs sind ebenfalls besonders gering.
„Rauchen ist nach wie vor der wichtigste vermeidbare Krebsrisikofaktor, die Tabakkontrolle hat daher enormes Potenzial für die Krebsprävention", sagt Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), einem wichtigen Partner der Dekade gegen Krebs.
Das DKFZ gibt u.a. den Tabakatlas Deutschland heraus, der die gesundheitlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen des Rauchens beleuchtet.
Gemeinsam mit anderen Akteuren beteiligt sich das DKFZ an der neuen Bundesinitiative “Rauchfrei leben“.
Rauchen verursacht nach wie vor in besonderem Maße Krankheit und Tod
Die Internationale Krebsforschungszentrum (IARC – International Agency for Research on Cancer) der WHO beziffert das Lungenkrebsrisiko von Frauen und Männern, die rauchen, um 20- bis 25-mal höher als das von Nichtrauchern. Das Risiko steigt, mit der Anzahl der Jahre, die geraucht wird und je höher die Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten und je niedriger das Alter des Rauchbeginns sind. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sind schätzungsweise 82 Prozent der Lungenkrebserkrankungen in Europa auf das Rauchen zurückzuführen.
Bei ca. 90 Prozent der Männer und ca. 60 Prozent der Frauen, die in Deutschland an Lungenkrebs erkranken, ist Rauchen die Ursache. Das waren in Deutschland im Jahr 2018 rund 85.000 Krebsfälle; etwa 127.000 Menschen starben an den Folgen der zahlreichen tabakbedingten Erkrankungen.
Der beste Schutz gegen Lungenkrebs und andere Krebsarten ist, nicht mit dem Rauchen anzufangen. Aber auch Aufhören lohnt sich: Zehn Jahre nach einem Rauchstopp ist das Lungenkrebsrisiko um die Hälfte gesunken.
EINSCHRÄNKUNGEN DER STUDIE
Die Autoren selbst weisen auf die Vorsicht hin, mit der Ergebnisse von Vorhersagemodellen interpretiert werden müssen. Da es sich um große Populationen handele, die sie analysiert hätten, sehen sie jedoch ein weniger großes Risiko, dass Zufälle die Ergebnisse verfälscht haben könnten. Um ihre Methode zu überprüfen, haben sie zudem ihre Vorhersagen für 2015 mit den später bekannt gewordenen tatsächlichen Daten abgeglichen. Dabei lagen alle damaligen Schätzungen innerhalb von 5 Prozent und die meisten von ihnen innerhalb von 2 Prozent der eingetretenen Fälle.
Zusätzliche Unsicherheiten für 2021 könnten durch die Auswirkung der Corona-Pandemie entstehen, da womöglich verzögerte Diagnosen die Krebssterblichkeit erhöhen.
AUSBLICK: SPIELRAUM FÜR EFFEKTIVE MASSNAHMEN GEGEN KREBS, ABER AUCH WEITERER HANDLUNGSBEDARF
Autoren und Editoren sind sich aufgrund der Ergebnisse einig, dass effektive Maßnahmen im Kampf gegen Krebs im gesamten Spektrum Wirkung zeigen und weiteres Potential besteht. Zum anderen, dass es bei spezifischen Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkrebs und Lungenkrebs bei Frauen weiterer Anstrengungen bedarf. Hier müsse die klinische und die öffentliche Gesundheitsforschung priorisiert und europäische Antworten für Prävention und Behandlung entwickelt werden. Insbesondere den europaweiten Ausbau der Tabakkontrolle zur Eindämmung des Zigarettenkonsums sehen sie als prioritär an, um allen Tabakkonsum-bedingten Krebsarten vorzubeugen, die insgesamt für ein Drittel der Krebstode in der EU verantwortlich seien.
Die Editorial-Autoren schließen ihren Kommentar mit der Hoffnung, dass ein konzertierter europäischer Vorstoß in Prävention, Früherkennung, Behandlung und Versorgung sowie der Lebensqualität den durch die Pandemie angerichteten Schaden wieder wettmachen kann.