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Nahrungsergänzungsmittel bei Krebs: Meist wirkungslos, manchmal gefährlich

Nahrungsergänzungsmittel können bei einem ärztlich festgestellten Mangel an bestimmten Stoffen sinnvoll sein. Eine generelle Einnahme für die Prävention von Krankheiten oder zu ihrer Heilung wird nicht empfohlen. Besonders in Hinsicht auf Krebs sollte man damit vorsichtig sein.

Nahrungsergänzungsmittel können bei einem ärztlich festgestellten Mangel an bestimmten Stoffen sinnvoll sein. Eine generelle Einnahme für die Prävention von Krankheiten oder zu ihrer Heilung wird nicht empfohlen. Besonders in Hinsicht auf Krebs sollte man damit vorsichtig sein.

Der Umsatz mit Nahrungsergänzungsmitteln lag im Jahr 2022 im deutschen Einzelhandel bei 1,5 Milliarden Euro. Wer für sie wirbt, darf nur wissenschaftlich belegbare Heilungsaussagen treffen und nicht den Eindruck erwecken, dass herkömmliche Lebensmittel zur Nährstoffversorgung nicht ausreichen. Dennoch verbinden viele Menschen unrealistische Erwartungen mit ihrer Einnahme. Das mag auch für Krebspatientinnen und -patienten zutreffen. Sie hoffen vielleicht, Nebenwirkungen einer Krebstherapie zu mindern. Gesunde wiederum wollen sich mit den Präparaten u.a. auch vor Krebs schützen.

Die Forscherin und Ärztin Jutta Hübner hebt ein weiteres Motiv der Betroffenen hervor: Viele wollen nicht nur passiv auf die Hilfe von Ärztinnen und Ärzten angewiesen sein, sondern selbst etwas zur Genesung tun. Hübner versteht das Bedürfnis. Sie möchte patientengerechte Perspektiven zeigen und gute, ehrliche Antworten auf diese Frage geben. In einer Broschüre des Hautkrebsnetzwerks Deutschland e.V. gibt sie einen Überblick über die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu komplementären — also zusätzlich zur Schulmedizin angewandten — Behandlungen, zu denen man auch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln zählt. Wir haben über den aktuellen Wissensstand zum Thema Krebs und Nahrungsergänzungsmittel mit Jutta Hübner gesprochen. Hier eine Zusammenfassung:

Johanniskrautextrakt

… ist ein gutes Mittel bei leichten bis mittelschweren Depressionen und depressiven Verstimmungen, die durch die körperlichen und seelischen Belastungen bei Krebs häufiger auftreten. Einer der Inhaltsstoffe, das Hyperforin, kann jedoch zu Wechselwirkungen mit verschiedenen Medikamenten führen. Präparate ohne diesen Inhaltsstoff dürfen verwendet werden. Dann wird die Wirkung über das Hypericin vermittelt, das ebenfalls in der Pflanze enthalten ist. Man sollte das mit dem Arzt absprechen und sich von einem Apotheker gut beraten lassen.

„Kann ja nicht schaden“?

Expertin Prof. Hübner erklärt, warum das ein gefährlicher Trugschluss sein kann: „Ein Patient leidet bei einer Krebstherapie auch an Nebenwirkungen. Nach Einnahme einer Heilpflanze bessern sich diese Symptome. Doch ob sich die Nebenwirkungen nicht nur deswegen abschwächen, weil auch die Wirkung des Krebsmedikamentes nachlässt, sieht man nicht.“

Porträt von Prof. Jutta Hübner Porträt von Prof. Jutta Hübner
Die internistische Onkologin Jutta Hübner ist Professorin für Integrative Onkologie am Universitätsklinikum Jena und forscht zu der Thematik. © UKJ/Schroll

Antioxidantien

… sollen angeblich freie Radikale im Stoffwechsel abfangen. Viele Betroffene greifen daher zu Vitamin C, E und A, dessen Vorstufe Beta-Carotin sowie Selen, um ihre gesunden Zellen beispielsweise vor dem Einwirken der Chemotherapie zu schützen. Doch Antioxidantien schützen auch kranke Zellen vor der Wirkung der Tumortherapie. Das bedeutet, dass Antioxidantien gegebenenfalls die Krebstherapie ausbremsen.

Zudem gibt es keine Belege für die Behauptung, dass die genannten Vitamine vor zellschädigenden freien Radikalen schützen und die Nebenwirkungen einer Krebstherapie lindern. Stattdessen zeigten Studien, dass die Einnahme von Vitamin C die Wirksamkeit einer strahlentherapeutischen Behandlung herabsetzt. Das gilt auch für Vitamin A und Beta-Carotin und alle anderen Antioxidantien schon in üblichen Dosierungen in Nahrungsergänzungsmitteln, wenn sie parallel zur Chemo- oder Strahlentherapie eingenommen werden. Eine ausgewogene Ernährung mit viel Vitaminen aus Obst und Gemüse ist während der Therapie dagegen hilfreich.

Einer anderen Studie zufolge regen die Vitamine A, C und E die Neubildung von Blutgefäßen an, die Tumoren mit Nährstoffen versorgen und diese dadurch sogar schneller wachsen lassen. Nach einer umfassenden Cochrane-Analyse verkürzte eine als Krebsvorbeugung gedachte Einnahme von Vitamin A, E und Betacarotin das Leben in Beobachtungsstudien eher. Und Rauchende, die in einer großen Studie Betacarotin zur Vorbeugung gegen Lungenkrebs zu sich nahmen, erkrankten unerwarteterweise häufiger an Lungenkrebs als die Kontrollgruppe (ohne Einnahme). Das Erkrankungsrisiko der Tabakkonsumierenden stieg um 18 Prozent an.

Vitamin B12

… begünstigt möglicherweise bei hohem Spiegel das Krebswachstum, denn es wirkt zellerneuernd. Ein extrem hoher Vitamin-B12-Spiegel geht bei Krebspatientinnen und -patienten nachweislich mit einer schlechteren Prognose einher.

In normaler Nahrung

… sind Antioxidantien und Vitamine in pflanzlichen Lebensmitteln (u.a. Obst und Gemüse, in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Ölen sowie Nüssen) enthalten. Sie mit der Nahrung aufzunehmen ist kein Problem, nur eine Überdosierung durch Nahrungsergänzungsmittel kann riskant sein. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gibt daher empfohlene Höchstmengen heraus.

Was sind Nahrungsergänzungsmittel?

In Nahrungsergänzungsmitteln sind Nährstoffe, wie sie auch in Lebensmitteln vorkommen, in meist höherer Konzentration enthalten. Dazu gehören u.a.:

Vitamine, deren Vorstufen (wie Betacarotin) oder Vitamin-ähnliche Substanzen (z.B. Coenzym Q10, L-Carnitin), Mineralstoffe (z.B. Magnesium, Calcium oder Zink), Spurenelemente (z.B. Jod, Selen, Mangan, Eisen, Zink), Pflanzliche Extrakte, die u.a. sekundäre Pflanzenstoffe (Farb-, Duft- und Aromastoffe aus Pflanzen) enthalten, Aminosäuren (z.B. L-Cystein), Enzyme, Fettsäuren (z.B. Omega-3- oder Omega-6-Fettsäuren), Ballaststoffe, sonstige Inhaltsstoffe (wie Bierhefe, Algen, probiotische Kulturen).

Nahrungsergänzungsmittel sind frei verkäuflich und müssen, anders als Medikamente, kein Zulassungsverfahren durchlaufen. Für die Hersteller bedeutet das: Sie müssen weder Wirksamkeit noch Unbedenklichkeit nachweisen.

Hinweise auf positive Wirkung

… gibt es für das fettlösliche Vitamin D, das das Wachstum von Zellen reguliert. Ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel scheint hier das Krebsrisiko zu vermindern und die Prognose bei vielen Krebserkrankungen zu verbessern. Was noch nicht klar ist: Liegt dies tatsächlich am Vitamin D selbst? Oder hängt es vielleicht damit zusammen, dass die Vitamin-D-Bildung über das Sonnenlicht angeregt wird und Menschen mit einem guten Vitamin-D-Spiegel viel im Freien aktiv sind? Denn körperliche Aktivität ist ein bekannter Schutzfaktor vor, bei und nach einer Krebserkrankung — für dessen Wirksamkeit gibt es bislang die besten wissenschaftlichen Nachweise unter den nicht-medizinischen Maßnahmen. Auch Vitamin D sollte wie alle Nahrungsergänzungsmittel nicht ohne Kontrolle des Blutspiegels und Rücksprache mit der Ärztin oder dem Arzt eingenommen werden.

Bei geplanter Einnahme den Arzt oder die Ärztin informieren
Diese Beispiele zeigen: Nahrungsergänzungsmittel sind nur sinnvoll, wenn ein Mangel vorliegt – aber nicht immer harmlos. Deshalb gilt: Wer Krebs vorbeugen oder die Therapie unterstützen und nicht gefährden möchte, sollte vor der Einnahme mit seiner Ärztin oder seinem Arzt sprechen.

Wer mehr dazu lesen möchte, findet verlässliche Informationen auch beim Krebsinformationsdienst, der ebenfalls klarstellt: „Nahrungsergänzungsmittel eignen sich weder zur Vorbeugung von Krebs noch zur Therapie."

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