Mit Nanomedizin gezielt Krebsmedikamente zum Tumor bringen
Konventionelle Krebsmedikamente überfluten den gesamten Körper und ziehen viele gesunde Zellen in Mitleidenschaft – mit entsprechenden Nebenwirkungen. Winzige Partikel, so genannte Nanotransporter, können Medikamente jetzt gezielt zum Tumor bringen.
Ziel des im Juli 2015 gestarteten, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes GITCare (Zielgesteuerte BioTransporter oral applizierter Photosensibilisatoren zur photodynamischen Therapie gastrointestinaler Carcinome) war es, geeignete Materialien für den Transport eines Anti-Darmkrebs-Wirkstoffes zu finden, damit dieser gezielt zum Ort der Krankheit gebracht werden kann. Dabei soll der Wirkstoff erst auf ein Signal hin freigegeben werden. Das hat den Vorteil, dass er erst dann seine Wirkung entfaltet, wenn er am Tumor angelangt ist. So kann dieser effektiver und nebenwirkungsärmer bekämpft werden.
An dem Projekt beteiligt waren Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Rottendorf Pharma GmbH, der biolitec research GmbH, der Westfälischen Wilhelms-Universität, des Frauenhofer-Institutes für Biomedizinische Technik, der Universität Paderborn, der Pharmacelsus GmbH sowie der CeramOptec GmbH. Die Forscher bedienten sich eines bereits für die Therapie von Krebsgeschwüren im Magen-Darm-Trakt zugelassenen Wirkstoffes. Dieser hat eine Besonderheit: Er ist zunächst inaktiv, kann aber durch das Bestrahlen mit Licht einer bestimmten Farbe (also einer bestimmten Wellenlänge) aktiviert werden. Das nennt man photodynamische Therapie. Durch die Aktivierung des Wirkstoffes wird in diesem Fall reaktiver Sauerstoff gebildet, der die Tumorzellen gezielt abtötet.
Bioabbaubare Nanoträger bringen den Wirkstoff zum Tumor
Aufgabe der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler war es nun einerseits, den bestehenden Wirkstoff so zu modifizieren, dass er sich transportieren lässt. Zum anderen mussten sie geeignete „Transporter“ finden. Hierzu eignen sich sogenannte Nanoträger; das sind winzige Partikel, in denen der Wirkstoff durch den Körper geschleust wird. Vorgabe für die Nanomaterialien war, dass sie sich an die Darmschleimhaut anheften und diese bis zu einem gewissen Grad auch durchdringen können. So wird erreicht, dass sich möglichst viel des lichtaktiven Wirkstoffes am Krankheitsort anreichert. Die Forschenden untersuchten daher unterschiedliche neuartige Materialien auf ihre Eignung als „Klebstoff“.
Zudem sollten die Partikel bioabbaubar sein und sich auf ein Signal hin auflösen, damit Ärztinnen und Ärzte die Wirkstoff-Freisetzung gezielt in Gang setzen können, wenn sich genügend Wirkstoff am Tumor angesammelt hat. Für einen kontrollierten Abbau der Partikel setzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wiederum auf Licht als wirksames Prinzip. Das heißt, neuartige Nanomaterialien wurden so designt und hergestellt, dass sie sich nach Bestrahlung mit Licht einer bestimmten Wellenlänge hin auflösen und den Wirkstoff freisetzen. Der Wirkstoff kann dann durch das Licht einer anderen Wellenlänge aktiviert werden und seine für den Tumor tödliche Wirkung entfalten.
Bestrahlung mittels neu entwickelter Sonde
Für die Bestrahlung mit Laserlicht verschiedener Wellenlängen wurde eine neuartige kombinierte Bestrahlungseinheit entwickelt. Diese aus Glasfasern mit mehreren konzentrischen Schichten bestehende Sonde kann sowohl die bioabbaubaren Träger wie auch den lichtaktiven Wirkstoff unabhängig voneinander aktivieren.
Die Vorteile eines solchen Ansatzes bestehen in einer effizienteren, zielgerichteteren und für den Patienten schonenderen Therapie.
Neu ist hierbei auch, dass bei den per photodynamischer Therapie verabreichten Wirkstoffen auf die sonst üblichen Injektionen oder Infusionen verzichtet werden kann: Die Partikel wurden zu Tabletten weiterverarbeitet, sodass die Patientin oder der Patient den Wirkstoff über den Mund einnehmen kann. Das ist ein großer Vorteil, denn die aktuell auf dem Markt befindlichen Mittel zur photodynamischen Therapie sind für viele Menschen belastend - die Injektion der gelösten lichtaktiven Substanzen wird von Vielen als schmerzhaft empfunden. Die Rezeptur der Tablette wurde dabei so entwickelt, dass sie besonders lange im Magen-Darm-Trakt verbleibt, damit mehr Zeit für die Wirkstoffaufnahme zur Verfügung steht.
Das Projekt dauerte bis Juni 2019 und befindet sich nun in der ersten Phase zur Verwertung der Ergebnisse, in dem Erfindungen im Projektverlauf geschützt werden sowie vielversprechende Versuche erweitert werden müssen. Für eine angestrebte Medikamenten-Zulassung in der Zukunft sind noch etliche präklinische Versuchsreihen zu absolvieren und weitere Partner ins Boot zu holen.