Mehr Therapien für krebskranke Kinder
Die Initiative Cancer Grand Challenges fördert ein Forschungsprojekt zur Entwicklung neuer, vielversprechender Therapien - unter anderem einen molekularen Kleber. Damit krebskranken Kindern zukünftig mehr Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen.
Enna war drei Jahre alt, als bei ihr ein Hirntumor festgestellt wurde. Sie erhielt zunächst eine Chemotherapie, dann wurde der Tumor operativ entfernt. Doch irgendwann kam der Krebs wieder und reagierte nicht mehr auf die zuvor wirksame Therapie. Kindern wie Enna bietet in dieser Situation eine personalisierte Behandlung oft eine neue Chance. So nennt man innovative Therapieformen, die an den individuellen Tumoreigenschaften ansetzen — im Gegensatz zu den klassischen Methoden wie Operation, Chemo- und Strahlentherapie. Darauf spezialisiert ist das INFORM-Programm des Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ) in Heidelberg, in das die junge Patientin aufgenommen wurde. Erste Behandlungserfolge lassen hoffen, dass sie nun vollständig geheilt werden kann.
Kinder brauchen mehr Heilungsoptionen
Leider lässt sich für etwa 20 Prozent der an Krebs erkrankten Kinder bislang keine heilende Therapie finden. „Standardtherapien und auch neue zielgerichtete Medikamente für Erwachsene helfen einem großen Teil dieser Kinder leider nicht“, sagt Stefan Pfister, Direktor am KiTZ, Abteilungsleiter am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Kinderonkologe am Universitätsklinikum Heidelberg. Denn, so erklärt Pfister, der auch zu den Initiatoren des INFORM-Programms gehört: „Krebs bei Kindern hat andere Ursachen, die Krebserkrankungen sind andere und auch bei der Tumorbiologie sehen wir ganz deutliche Unterschiede, die man von der Erwachsenenonkologie nicht einfach auf Kinder übertragen kann.“
Es bedarf daher dringend weiterer Forschung zu geeigneten Therapieansätzen. Allerdings gibt es ein Problem: Für pharmazeutische Unternehmen ist der Markt der Kinderonkologie zu klein und Neuentwicklungen unrentabel.
Förderung ist essenziell für kinderonkologische Forschung
Daher ist dieser Bereich im besonderen Maße auf Förderungen für akademische Forschungsprojekte angewiesen. Eine solche erhält nun das Projekt PROTECT von den “Cancer Grand Challenges”, einer Initiative, die auch der NDK als Vorbild dient. Neun Forschungsinstitutionen sind am Projekt beteiligt, neben dem KiTZ auch das DKFZ als Partner der NDK. Prof. Stefan Pfister, der PROTECT leitet, freut sich: „Ohne finanzstarke Förderungen, wie sie die Cancer Grand Challenges speziell für die akademische Krebsforschung ermöglicht, wäre die Entwicklung neuer Therapieansätze bei Kindern für Krebsforschungsinstitute nicht möglich.“
PROTECT kann nun mithilfe der finanziellen Unterstützung ein vielversprechendes neues Therapiekonzept auf seine Eignung für Kinder prüfen: dabei nutzen sie molekulare Kleber. Dahinter verbergen sich künstlich hergestellte Moleküle, die sich gezielt an Proteine von Krebszellen „kleben“ und sie so für den Körper zum Abbau markieren. Aktuell wird dieser Ansatz nur für Erwachsene entwickelt. Doch die Methode birgt Potenzial, bislang nicht therapierbare Arten von Krebs bei Kindern zu heilen. Da die Kleber-Moleküle so hergestellt werden, dass sie genau an die Proteine der Krebszellen der Betroffenen binden, spricht man hier von einer zielgerichteten bzw. personalisierten Therapie.
Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen zunächst die aussichtsreichsten Kandidaten der „Kleber-Moleküle“ darauf testen, ob sie für die Behandlung sieben verschiedener Kinderkrebsarten geeignet sind. Dafür greifen sie auf die ITCC-P4-Testplattform zurück, die Labormodelle speziell für kindliche Tumorerkrankungen bereithält. Sie entstand aus der KiTZ-Forschung und wurde in ein Startup ausgegründet, um jungen Patientinnen und Patienten einen besseren Zugang zur Präzisionsmedizin zu eröffnen.
CAR-T-Zelltherapie optimieren, Business-Modelle erarbeiten
Mit Hilfe der neuen Wirkstoffe will das Team auch die hochinnovative CAR-T-Zelltherapie weiterentwickeln und verbessern. Dieses „lebendige Medikament“ nutzt das körpereigene Immunsystem der Betroffenen, um die Krebszellen zu zerstören. Damit gelang bereits die Heilung von einigen Blutkrebsarten. Doch bei soliden Tumoren konnte sie noch nicht den gleichen Erfolg verzeichnen.
Nach der Testung auf Sicherheit und Wirksamkeit in Laborexperimenten sollen die tauglichsten Kandidaten für eine zukünftige Kinderkrebs-Therapie in frühe klinische Studien überführt werden.
PROTECT will zudem die generelle Fördersituation für Forschung zu Kinderkrebstherapeutika verbessern. Dafür sind an dem Projekt auch Patientenvertretende beteiligt, die unter anderem neue Business-Modelle erarbeiten, um dies zu erleichtern.