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„Ich möchte die Lebensqualität und Prognose der Kinder verbessern“

Es trifft die Kleinsten: Das Neuroblastom, eine seltene Krebserkrankung mit Ursprung in unreifen Nervenzellen. Wir sprachen mit Frau PD Dr. Hedwig E. Deubzer, die sich als Ärztin und Forscherin für die betroffenen Kinder engagiert.

Frau Dr. Deubzer, Sie arbeiten täglich mit den kleinen Patientinnen und Patienten. Was ist bei der Erkrankung so herausfordernd?

Dr. Deubzer: Neuroblastome verlaufen sehr unterschiedlich: Bei einigen Kindern bilden sich diese bösartigen Tumore in kurzer Zeit ganz ohne Therapie wieder zurück, bei anderen ist der Krebs sehr aggressiv. Er metastasiert schnell und sie haben ein hohes Rückfallrisiko. Ich sehe in meiner klinischen Arbeit täglich die Kinder und möchte ihre Lebensqualität und Prognose verbessern. Daher bin ich sowohl ärztlich, als auch forschend tätig.

Gibt es einen Unterschied oder eine Besonderheit in der Kinderonkologie, im Vergleich zur Behandlung von Erwachsenen? 

Dr. Deubzer: Die Krebsarten sind andere und auch Behandlungsintensität und Heilungsaussichten unterscheiden sich. Und Krebs tritt bei Kindern und Jugendlichen sehr viel seltener auf. Das Neuroblastom ist zwar der häufigste solide Tumor bei Kindern, doch insgesamt erkranken deutschlandweit etwa 150 Säuglinge und Kleinkinder pro Jahr. Das heißt, jede Klinik sieht nur wenige Fälle. Um sie bestmöglich zu behandeln, müssen wir unsere Erfahrungen und Daten bündeln. In Deutschland sind alle Kinderonkologien in der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) organisiert. Auf europäischer Ebene bietet der Neuroblastom Verbund „SIOPEN“ Kindern aus 26 Ländern Zugang zu gemeinsamen klinischen Studien. Auch unsere Kinder an der Charité haben Zugang und ich wirke an einigen der Studien mit.

Können Sie mehr von diesen Studien erzählen? Was ist das Ziel? 

Dr. Deubzer: Wir hatten bei dem von mir koordinierten europäischen Projekt LIQUIDHOPE geprüft, ob wird anhand einer Blutanalyse, der „Liquid Biopsy“, Rückfälle bei Kindern schon im Frühstadium erkennen können. Tatsächlich gelang es uns, diese im Schnitt schon drei Monate vor Auftreten von Symptomen zu detektieren. Ein entscheidender Zeitgewinn für die Behandlung! Die Liquid Biopsy ist auch einer meiner Forschungsschwerpunkte. 

Können Sie genauer erklären, was die Liquid Biopsy ist und was Sie damit vorhaben?

Dr. Deubzer: Mit der Methode lassen sich kleinste Bruchstücke und DNA des Tumors im Blut aufspüren und dessen Eigenschaften analysieren. Üblicherweise wird so ein Tumorprofil vor der Behandlung aus einer Gewebeprobe erstellt, um ein genau darauf ausgerichtetes Medikament auszuwählen. In unserem Fall wollen wir mit der Liquid Biopsy die Veränderungen der Krebszellen unter der Behandlung beobachten. Die Therapie übt einen Druck auf die Krebszellen aus, die versuchen, auszuweichen und verändern sich und damit das molekulare Profil des Tumors. Um das zu monitoren, nehmen wir den Kindern parallel zur Behandlung regelmäßig etwas Blut ab. Die Blutentnahme ist viel weniger belastend und liefert ein schnelleres Ergebnis, als eine Gewebeentnahme. Zudem wäre es gar nicht möglich, in regelmäßigen Abständen Gewebe zu entnehmen. Dafür birgt die Methode eine große Chance: Sehen wir im Blut schon frühzeitig, ob sich eine Resistenz entwickelt, könnten wir zeitnah ein anderes Medikament geben. Das ist für die Prognose vieler Kinder entscheidend. Auf diesen Vorarbeiten von LIQUIDHOPE baut unsere aktuelle Studie MONALISA auf, die nicht wie traditionell üblich unter streng vorgegebenen Versuchsbedingungen testet, sondern unter realen Umständen. 

Das klingt spannend, was genau wird in MONALISA gemacht?

Dr. Deubzer: In MONALISA untersuchen wir nun den Mehrwert der Liquid Biopsy-Analysen für die klinische Versorgung. Die therapiebegleitenden Blutanalysen, die wir durchführen, berichten wir an die einsendenden Kliniken. Am Ende wollen wir sehen, ob die frühe Erkennung eines Rückfalls die Qualität der onkologischen Nachsorge und später hoffentlich die Prognose, tatsächlich verbessert.

Wie schaffen Sie es, neben Ihrer ärztlichen Tätigkeit und als Stellvertretende Klinikdirektorin der Kinderonkologie an der Charité zusätzlich zu forschen? 

Dr. Deubzer: Ich wurde durch das Clinician Scientist Programm des Berlin Institute of Health an der Charité gefördert. Das soll Ärztinnen und Ärzten Freiräume verschaffen, damit sie mehr als nur Feierabendforschung betreiben können. Es half mir, meine Laboraktivitäten auszubauen und das Solide Tumorprogramm der Klinik zu intensivieren, das Zugang zu Studien mit innovativen Therapien bietet. Insgesamt kommen durch eine enge Verknüpfung von Forschung und Versorgung neueste Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten sehr schnell bei den Patientinnen und Patienten an. Unsere therapiebegleitende Liquid Biopsy ist dafür ein Beispiel.

Welche Bedeutung hat es für die Kinderonkologie, dass die Charité – Universitätsmedizin Berlin im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs Teil des erweiterten Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) geworden ist?

Dr. Deubzer: Die personalisierte molekulare Medizin spielt auch in der Kinderonkologie eine zentrale Rolle. Diese können wir im NCT-Netzwerk auf Spitzenniveau betreiben. Auch mit dem KiTZ Heidelberg arbeiten wir bei der molekularen Diagnostik eng zusammen.

Die Kinder und ihre Familien sind eine sehr vulnerable Gruppe, wie gehen Sie damit um?

Dr. Deubzer: Wir bringen nur ins Gespräch, wofür wir robuste Daten haben. Vieles findet ausschließlich im Forschungsbereich statt. Wir müssen unbedingt vermeiden, noch nicht erfüllbare Hoffnungen zu wecken.

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