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Junge Forschende in der Labormedizin

Forschergeist früh wecken – Nachwuchstalente fördern, das ist Ziel des BMBF-geförderten Programms Jugend forscht. Wie beständig und unterstützenswert das Interesse junger Menschen an Themen wie der Krebsforschung ist, zeigt der Weg einer jungen Frau.

Auf der Medica 2021 stellten junge Talente ihre Forschung vor. In der Session „Integrative and AI-driven diagnostics in der Medizin“ sticht eine junge Frau besonders hervor: Tara Moghiseh, Medizin-Studentin an der Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg. Ihr Interesse an medizinischen Themen begann schon früh. Während eines Schulpraktikums in einem Hämatologie-Labor in Mannheim übte sie mit dem eigenen Blut das Erstellen eines Differentialblutbilds. Dabei wird die Anzahl der verschiedenen Blutzellen ausgezählt - ein wichtiger Schritt, um Blutkrebs zu diagnostizieren. Moghiseh brachte sich mit Hilfe der Kolleginnen und Kollegen aus dem Labor unter anderem bei, wie die fünf verschiedenen Typen von weißen Blutzellen klassifiziert werden.

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Die Abbildung zeigt einen Screenshot aus dem virtuell abgehaltenen MEDICA LABMED FORUM vom 17.11.2021. Moderatorin Verena Haselmann kündigt den Vortrag der Jugend-forscht-Gewinnerin Tara Moghiseh in der Session „Junge Talente in der Labormedizin“ an. © MEDICA LABMED FORUM

Auszählung von Hand: Zeitaufwändig
Den Aufwand des Auszählens beschreibt Tara Moghiseh so: „Es wird Schritt für Schritt vorgegangen, die korrekte Diagnose mit verschiedenen Tests ausgefiltert. Man startet mit einem Zählen der gesamten Blutzellen und bestimmt die Anzahl der roten und weißen Blutkörperchen, letztere werden auch noch in fünf Subtypen unterschieden.“ Diese manuelle Differenzierung ist sehr zeitaufwändig.

Trotz Zählgeräten müssen 10-25 Prozent manuell ausdifferenziert werden
Im Labor gab es dafür Hämatologiegeräte, die die Zellen zählen können. Doch die können nicht alle Spezialfälle gleichermaßen gut erfassen „Die Maschine arbeitet schnell, erfasst aber nicht immer alle relevanten Informationen, die man braucht.“ Zudem verwechsele das Gerät manchmal sehr kleine Monozyten (ein Typ der weißen Blutzellen) mit Lymphozyten. Noch schlimmer: sie erkennen auch die sehr kleinen Lymphoblasten, die bei einer bestimmten Leukämieform (T-ALL) auftreten nicht verlässlich gegenüber Lymphozyten.

Was lag also für die mathematisch und naturwissenschaftlich begabte Schülerin näher, als das Auszählen der Blutzellen mit Hilfe von AI zu automatisieren. Das Thema Leukämie wurde der Schülerin bereits in der Mittelstufe durch ein Buch zur Herzensangelegenheit. Die Protagonistin war ein starkes, lebenslustiges und sportliches Mädchen, das daran erkrankte und damit kämpfte, immer schwächer zu werden. „Von da an war Blut nicht nur eine rote Flüssigkeit für mich“, berichtet Tara. Das war die Motivation, ihr Schulpraktikum in einem Hämatologischen Labor zu machen.

In ihrem Vorhaben bekräftigt wurde sie, als sie erfuhr, dass eine medizinisch-technische Fachkraft ein Jahr fortgebildet werden muss, um ein solches Blutbild erstellen zu können.

Der Wunsch: die Krebsdiagnostik schneller und effizienter machen

„Also begann ich, etwas zu programmieren, das weiße Blutkörperchen von einem Blutausstrich unterscheiden kann. Ich hatte zu der Zeit viel über KI in den Medien gelesen und dass diese in Klassifizierungsfragen den klassischen Algorithmen überlegen ist, weshalb ich mich unter anderem für diesen Ansatz entschieden habe.“, erzählt Tara Moghiseh. Um ihr System zu schulen, „fütterte“ sie den Computer mit tausenden Blutbildern. Diese Datenbasis ermöglicht es dem Programm, Blutproben mit den Bildern auf Regelmäßigkeiten und Unterschiede abzugleichen. Ihren Blutzell-Klassifikator schuf sie so, dass er selbständig weiterlernt – also je mehr verlässliche Datenbasis er erhält, desto besser wird er.

Das Ergebnis: ein automatisches Auszählgerät mittels Künstlicher Intelligenz 
Am Ende gelingt es der Jungforscherin mithilfe ihres Programmes, die fünf Haupttypen der Blutkörperchen automatisiert zu unterscheiden und auszuzählen. Die Software erreicht dabei eine 98-prozentige Genauigkeit. Sie gibt ihr den Namen CELLnet.

Nach Ermutigung durch eine Lehrerin nimmt Tara Moghiseh damit zweimal am BMBF-geförderten „Jugend forscht“-Wettbewerb teil. Sie siegt 2019­ auf Regional- und Landesebene in Rheinland-Pfalz und wird dann auch noch Bundessiegerin im Fachgebiet Arbeitswelt.

Als sie ihr Projekt auf der Medica 2021 vorstellt, trifft sie auf den Bioinformatiker Niroshan Nadarajah. Er und sein Team haben ein ähnliches Programm inzwischen zur Marktreife entwickelt. Ihr KI-basierter Ansatz wird mit einem Roboter-Mikroskop verknüpft, das automatisiert 500 Bilder je Blutausstrich eines Menschen aufnimmt. Ihre Software differenziert in den Aufnahmen bis zu 21 Zelltypen. “Am Ende wissen wir, wie häufig welcher Zelltyp in dem Blutausstrich war und wir erhalten einen Konfidenzwert, der besagt, wie verlässlich das Ergebnis ist“, erläutert Nadarajah. Das System haben die Entwickler dann mit Blutproben von 10.000 Patientinnen und Patienten auf Verlässlichkeit überprüft. Die damit aufgespürten Defizite des Programms wurden mit gezieltem Training weiter verbessert. Tara zeigt das Ergebnis, dass sie mit ihrer Idee grundsätzlich richtig lag und was mit KI möglich ist. „So ein Tool kann beispielsweise in Entwicklungsländern sehr nützlich sein, wenn zu wenig Personal und zu wenig Geräte zur Verfügung stehen“, ist die Studentin überzeugt. In Bezug auf den Entwicklungs- und Evaluationsaufwand wird aber auch klar, welche Man- und Womanpower für die professionelle Umsetzung nötig ist. Für sie als Einzelperson, resümiert sie, wäre das Hinführen zur Marktreife zu groß gewesen. Zumal sie im Anschluss an das Abitur mit dem Medizinstudium nun eine Vollzeitbeschäftigung hat. Daher legte sie das Projekt nach dem Schulabschluss erstmal ad acta.

Doch das ist sicher nicht das Ende. Im Gegenteil: Die Wahl des Studiums ist wahrscheinlich nur eine konsequente Fortführung der mit CELLnet begonnenen Forschungsreise für Tara Moghiseh.

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