Navigation und Service

Immunzellen gegen Tumoren

Wie sich Immunzellen in direkter Umgebung von bösartigen Tumoren verhalten, ist entscheidend für ihre erfolgreiche Bekämpfung. KI-gestützte Modelle könnten das Verhalten simulieren und damit Therapien verbessern.

Schon heute profitieren Krebspatientinnen und -patienten von Immunzelltherapien. Die Behandlungen sind verschieden, doch es geht immer darum, Immunzellen zu aktivieren, damit sie bösartige Zellen erkennen und eliminieren. Normalerweise kümmert sich unser Immunsystem ohne fremde Hilfe um die Abwehr von Krebszellen. Doch die bösartigen Zellen haben Strategien entwickelt, um diese Abwehr zu umgehen. „Die Krebszellen schütten zum Beispiel Stoffe aus, die anti-entzündlich wirken und die dem Körper signalisieren: Hier ist alles in Ordnung, hier müssen die Immunzellen nicht aktiv werden“, erläutert Kevin Thurley vom Universitätsklinikum Bonn. Immuntherapien bringen die Immunzellen in der Umgebung des Tumors wieder dazu, ihre Arbeit zu verrichten. Es gibt jedoch viele verschiedene Arten von Immunzellen. Erst wenn Klarheit darüber herrscht, welche sich in der Nähe des Tumors aufhalten und wie sie miteinander interagieren, lässt sich die Wirkung der Immunzelltherapien besser vorhersagen.

Aufnahme von den Lymphknoten einer Maus 600x900 Schmetterling
Solche speziellen Mikroskopaufnahmen – hier von Lymphknoten einer Maus – können Aufschlüsse über den Typ und die Position von Immunzellen in der Umgebung der Tumorzellen geben. © AG Hölzel

Neue Erkenntnisse durch Kooperation und KI

Im Verbundprojekt InterpretTME, das Kevin Thurley leitet, wollen Forschende der Universität und des Universitätsklinikums Bonn genau das erreichen. Ihre Untersuchungen sind äußerst komplex: „Wir schauen nicht nur eine Zelle an, sondern die Gesamtheit der Immunzellen in der Tumorumgebung“, sagt Thurley. „Dadurch bekommen wir ein besseres Bild davon, was dort eigentlich passiert.“ Dafür nutzen die Forschenden Bilddaten von Patientinnen und Patienten, die zunächst durch maschinelles Lernen, eine Methode der Künstlichen Intelligenz (KI), interpretiert und dann vom Computer modelliert werden. Diese Verbindung von KI und Modellierung ist neu, insbesondere für eine so unübersichtliche Situation wie die Umgebung eines Tumors. Doch das fachübergreifende Konsortium aus den Bereichen biophysikalische Modellierung, KI und experimentelle Immuno-Onkologie stellt sich dieser Herausforderung. Neben Kevin Thurley sind Jan Hasenauer, Michael Hölzel, Marieta Toma und Alexander Effland maßgeblich daran beteiligt.

Schnelle Methoden und reale Daten

Umfangreiche Bilddaten für ihre Analysen bekommt das Forschungsteam durch das sogenannte CODEX-Verfahren. Es ist in der Lage, gleichzeitig mehr als 40 Fluoreszenzmarker auf einer einzigen Gewebeprobe aus der Umgebung von Tumoren zu messen. Das heißt, mehr als 40 verschiedene Moleküle leuchten unter dem Mikroskop in unterschiedlichen Farben. „Mit diesen Farben kann man die verschiedenen Proteintypen an der Oberfläche der Zellen erkennen, dadurch die Zelltypen bestimmen und sie auch räumlich zuordnen“, sagt Kevin Thurley. Auf diese Weise können die Forschenden sehr schnell umfangreiche Erkenntnisse gewinnen, die sie für ihre Modellierungen nutzen wollen. Mit solchen Modellen ließe sich das Verhalten der Immunzellen in der Tumorumgebung besser vorhersagen. Diese Methode für eine individuellere Behandlung von Krebserkrankungen einzusetzen, ist deshalb das langfristige Ziel. Mit ihrer Forschung wollen die Bonner die Grundlagen dafür schaffen.

Das Projekt „InterpretTME“ steht für „Datengesteuerte, multiskalige Modellierung der Mikroumgebung von Tumoren durch interpretierbares maschinelles Lernen“ und wird im Rahmen der Fördermaßnahme Gesundheitsforschung: „Computational Life Sciences“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

„Wir wollen vorhersagen, welche Therapie die größte Erfolgschance hat.“

Interview mit Prof. Dr. Kevin Thurley, Projektleiter InterpretTME, Systembiologe am Institut für Experimentelle Onkologie des Universitätsklinikums Bonn

Was ist Ihre Motivation für das Projekt, was treibt Sie an?

Immunzellen sind sehr wichtig bei der Krebsbekämpfung. Wir alle haben immer wieder Krebszellen im Körper, die das Immunsystem aber in den meisten Fällen erfolgreich bekämpft. Wenn das nicht geschieht, funktioniert das Immunsystem nicht so, wie es soll. Wir wollen wissen, was da genau passiert und warum.

Welche neuen Methoden nutzen Sie für Ihre Untersuchungen?

Datenanalysen mit KI-Methoden gibt es bereits. Wir gehen aber noch einen Schritt weiter und bringen Computer-Modellierung mit maschinellem Lernen zusammen. Das heißt, wir wollen Modelle aufstellen, mit denen man die Zellen nicht nur einzeln, sondern im Zusammenhang studieren kann. So wollen wir herausfinden, wie Tumoren die Antwort der Immunzellen und damit die Eliminierung der Krebszellen umgehen können.

Welche Rolle spielt die Umgebung des Tumors?

Was in der Umgebung des Tumors geschieht, ist entscheidend für den Krankheitsverlauf und für die Wirkung von Therapien. Wir wollen die Mechanismen besser verstehen, die in der Umgebung von Tumoren ablaufen. Wir wollen wissen, woran die Antwort des Immunsystems auf die Krebszellen und die Vernichtung der Krebszellen scheitert und wie sich das bei verschiedenen Krebsarten unterscheidet.

Was wollen Sie mit Ihrem Projekt erreichen?

Wir wollen ein kompletteres Bild von Krankheitsverläufen bekommen. Daraus können wir dann Schlussfolgerungen ziehen, welche Therapien bei verschiedenen Patientinnen und Patienten mit bestimmten Krebsarten besser oder schlechter funktionieren. Die Computermodelle könnten mit den konkreten Patientendaten gefüttert werden und vorhersagen, welche Therapie die größte Erfolgschance hat. Eine solche personalisierte Medizin ist das langfristige Ziel.

Prof. Dr. Kevin Thurley 600x900 Kevin Thurley
Prof. Dr. Kevin Thurley ist Systembiologe am Institut für Experimentelle Onkologie des Universitätsklinikums Bonn und leitet das Projekt InterpretTME. © UKB


Partner und Unterstützer