Immuntherapie: Therapeutische Impfung gegen Krebs
Durch eine Impfung kann das Immunsystem eine Krankheit schnell erkennen und effektiv bekämpfen. Das kann auch bei Krebs genutzt werden: nicht nur präventiv wie bei der HPV-Impfung, sondern auch therapeutisch, also bei bereits Erkrankten.
Das Immunsystem schützt uns vor Infektionserregern, die von außen in den Körper eindringen, sich in ihm vermehren und ihn krank machen. Ist die körpereigene Abwehr zum ersten Mal mit einem Erreger konfrontiert, braucht es eine Weile, bis sie mit voller Kraft gegen ihn Stellung beziehen kann. Eine Impfung, bei der der Körper vorweg mit einem Erreger bekannt gemacht wird, kann diesen Prozess beschleunigen, sodass die Krankheit bei einem echten Kontakt im Keim erstickt wird und nicht ausbricht.
Schon lange bekannt: Der Nutzen von Impfungen gegen Infektionskrankheiten
Bei einer Impfung gelangen Teile des Erregers in den Körper, die er als fremd erkennt und abspeichert. Dieses Prinzip wird auch bei der Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs-erzeugende Humane Papillomviren (HPV) angewendet – die erste präventive Impfung gegen Krebs.
Das Immunsystem kann auch Krebszellen aufspüren
Auch bei der Bekämpfung von bereits entstandenem Krebs spielt das Immunsystem eine Rolle. Normalerweise spürt es andersartige Zellen im Körper frühzeitig auf, doch Tumorzellen haben die Fähigkeit entwickelt, sich durch molekulare Täuschungsmanöver und Tarnkappen dem Immunsystem zu entziehen.
Idee des therapeutischen Impfens: Das Immunsystem schärfen
Forschende arbeiten intensiv an Immuntherapien, die die Ausweichmechanismen der Krebszellen gezielt ausschalten; einige davon werden als „therapeutische“ Krebsimpfstoffe bezeichnet: Sie wirken nicht vorbeugend, sondern versetzen das Immunsystem von bereits Erkrankten in die Lage, den Tumor (wieder) zu erkennen und zu bekämpfen.
Bei der Impfung gegen Krebs wird das Immunsystem nicht gegen Viren scharf gemacht, sondern gegen krebstypische Oberflächenproteine. Diese entstehen meist durch Mutationen im Tumorerbgut. Ein Impfstoff kann das Immunsystem auf solche mutierten Proteine aufmerksam machen.
Weltweit werden solche Therapien in zahlreichen klinischen Studien gegen eine ganze Reihe von Krebsarten entwickelt und erprobt. Dazu gehören der schwarze Hautkrebs, Nierenzell-, Darm-, Leber- oder Lungenkrebs, ebenso Hirntumoren, Brust-, Prostata- und Eierstockkrebs.
Die Grundidee ist einfach, die Umsetzung hochkomplex
Die therapeutischen Impfungen nutzen typische Merkmale von Krebszellen, insbesondere veränderte Proteine, die aus deren Oberfläche ragen. Diese Erkennungsstrukturen werden den Behandelten praktisch „eingeimpft“ und sollen den Immunzellen die Augen öffnen.
Dafür identifizieren Ärztinnen und Ärzte im ersten Schritt für jede Patientin und jeden Patienten die auffälligen Krebsmerkmale. Auf dieser Grundlage entsteht dann im Labor der individuelle Impfstoff. Dabei ist Vieles zu beachten. Die ausgewählte Struktur – meist ein krebstypisches Protein oder ein Bruchstück davon – muss so auffällig sein, dass sie vom Immunsystem als feindlich erkannt wird. Der Impfstoff selbst muss so verträglich sein, dass es nicht zu starken Nebenwirkungen kommt. Das entsprechende Protein wird aufbereitet und mit passenden Wirkverstärkern versehen. Eine besondere Schwierigkeit liegt darin, dass Krebszellen keine Eindringlinge sind, sondern körpereigene Zellen, die normalerweise unbehelligt bleiben sollten. Zudem steht das Immunsystem in vielfältigem Wechselspiel mit vielen anderen Prozessen im Körper. Das macht die Sache kompliziert.
In Studien werden derzeit verschiedene Ansätze untersucht:
- Protein-/Peptid-basierte Impfungen
In diesem Fall dienen geeignete Krebsproteine oder kleinere Abschnitte (Peptide) als maßgebliche Erkennungsstruktur. Meist werden verschiedene Proteinstrukturen in einem Impfstoff kombiniert. Diese werden dann aufbereitet verabreicht. - DNA- oder RNA-basierte Impfungen
Statt des Proteins selbst kann man einer Patientin oder einem Patienten auch seine Bauanleitung verabreichen. Diese wird in unseren Zellen automatisch abgelesen und das Protein daraufhin hergestellt. So wird das Immunsystem damit konfrontiert. Für diese Art Impfungen laufen derzeit klinische Prüfungen. Als Bauanleitung kann DNA oder mRNA dienen. So funktioniert die mRNA-Impfung - Dendritische Zell-Therapie
Dendritische Zellen sind Teil des Immunsystems. Sie lassen sich aus einer Blutprobe gewinnen, im Labor vermehren und – mit der Erkennungsstruktur des Tumors beladen – an die Erkrankten zurückgeben. Das aktiviert die T-Zellen im Körper (siehe Infobox). - Adoptiver T-Zell-Transfer (T-Zell-Therapie)
Das Behandlungsteam entnimmt den Erkrankten T-Zellen. Anschließend kommen diese außerhalb des Körpers mit dem Antigen in Kontakt und werden so aktiviert und vermehrt. Die so auf die Tumorzellen abgerichteten T-Zellen sind effektive Killer und können die Tumorzellen direkt angreifen, sobald sie der oder dem Erkrankten zurückgegeben werden. - CAR-T-Zelltherapie
Eine sehr innovative Möglichkeit des therapeutischen Impfens ist die CAR-T-Zelltherapie. Dabei werden Erkrankten T-Zellen, eine Form von weißen Blutzellen, entnommen und im Labor auf die Erkennungsstruktur der individuellen Krebszellen „abgerichtet“. Mit gentechnischen Methoden wird eine Andockstelle (der „Chimeric Antigen Receptor“, kurz: CAR), die genau an die Erkennungsstruktur der Krebszellen passt, künstlich hergestellt und in die T-Zellen integriert. Diese werden nun CAR-T-Zellen genannt und sind nun zu Spürnasen für Krebszellen geworden. Ärztinnen und Ärzte geben sie dem Betroffenen per Infusion zurück, damit sie sich in dessen Körper weiter vermehren und die Tumorzellen bekämpfen.
Gefahr von unerwünschten Immunreaktionen
Bei therapeutischen Eingriffen in das Immunsystem besteht immer auch die Gefahr, dass dieses überschießt und gesunde Zellen attackiert. Dann kann es zu lebensbedrohlichen Zuständen kommen, die sofort behandelt werden müssen. Daher dürfen beispielsweise CAR-T-Zelltherapien nur Zentren durchführen, die im Umgang mit Nebenwirkungen von zellulären Immuntherapien erfahren sind und direkten Zugang zur Intensivstation vorweisen.
Die CAR-T-Zelltherapie ist ein großer Hoffnungsträger der Krebsforschung und soll künftig noch für andere hämatologische Krebsarten, aber auch solide Tumoren entwickelt und erprobt werden.
Auch eine personalisierte Diagnose ist notwendig
In bisherigen Studien zeigte sich, dass nicht alle Patientinnen und Patienten gleichermaßen von den immuntherapeutischen Behandlungen profitieren. Daher wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Sinne der personalisierten Krebsmedizin Tests entwickeln, um Betroffene vorab herauszufiltern, die auf eine Impfbehandlung wahrscheinlich anschlagen.