„Das könnte die Prognose von Betroffenen verbessern“
Für ihren neuartigen Therapieansatz gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs wurde Chiara Falcomatà mit dem Helmholtz-Doktorandenpreis ausgezeichnet. Im Interview erklärt die Nachwuchsforscherin, welche drei gängigen Wirkstoffe sie kombiniert hat – und warum vor ihr noch niemand auf die Idee kam.
Frau Dr. Falcomatà, Sie wurden mit dem Helmholtz-Doktorandenpreis ausgezeichnet. Worum ging es in Ihrer Promotionsarbeit?
Ich habe einen personalisierten Therapieansatz für eine spezielle Form des Bauchspeicheldrüsenkrebs entwickelt. Dabei handelt es sich um das mesenchymale Pankreaskarzinom, dessen Zellen ein mutiertes Wachstumsprotein übermäßig produzieren. Dieses Protein lässt die Krebszellen rasant wachsen. Mit dem bereits zugelassenen Medikament „Trametinib" kann man das Wachstum zwar hemmen; das reicht jedoch nicht aus, um die Krebszellen abzutöten. Einzelne Ansätze sind bei diesem Krebs nicht effektiv genug. Zudem lassen sich Immuntherapien bei diesem Tumor bislang nicht einsetzen, da die Krebszellen ihre Mikroumgebung manipulieren, sodass diese sie schützt. Daher habe ich Trametinib mit anderen Wirkstoffen kombiniert und hierfür mehr als 400 verschiedene Substanzen getestet.
Das klingt sehr aufwändig, wie probiert man so viele Kombinationen aus?
Das Drugscreening ist ein anspruchsvolles Hochdurchsatzverfahren. Wir haben die Krebszellen in Zellkulturplatten mit Hunderten von Vertiefungen gefüllt und mit Trametinib versetzt. Ein Roboterarm mischt dann in jede Vertiefung einen zusätzlichen Wirkstoff dazu. Im Anschluss wird gemessen, welche Kombination die Krebszellen am besten angreift. In unserem Fall war das die Kombination mit Nintedanib.
Was bewirkt dieses zweite Medikament?
Nintedanib hemmt eine ganze Reihe von Rezeptoren auf der Zelloberfläche, die dazu beitragen, dass es sich der Tumor in seiner Umgebung „bequem“ machen kann. Um zu sehen, was in unseren Tumorzellen dabei genau passiert, haben wir uns mithilfe der Genschere CRISPR an Patientenproben und erkrankten Mäusen die inneren Vorgänge im Detail angesehen. Dabei hat sich gezeigt, dass unsere Kombination die Tumorzellen abtötet und zusätzlich die Mikroumgebung der Tumoren so beeinflusst, dass sie keine zusätzliche Barriere für den Immunangriff mehr bilden kann. Hierdurch konnten körpereigene Immunzellen, die T-Zellen, besser in den Tumor einströmen und die Tumorzellen attackieren.
Das brachte mich auf die Idee, die beiden Medikamente um einen sogenannten Immun-Checkpoint-Inhibitor zu ergänzen. Dieser gehört zu einer völlig anderen Wirkstoffklasse, die das Immunsystem aktiviert und die Krebszellen für das Immunsystem besser sichtbar macht. Und tatsächlich griff die Dreifach-Kombination die Tumorzellen noch einmal deutlich effektiver an als die beiden ersten Medikamente allein.
Warum kam niemand vor Ihnen auf die Idee, schon vorhandene Medikamente neu zu kombinieren?
Wir haben nicht eine Behandlungsmöglichkeit für Bauchspeicheldrüsenkrebs an sich gesucht, sondern uns auf einen Subtyp konzentriert.
Sie sind sehr bescheiden, personalisierte Therapien sind an sich nichts Neues, auf die Dreifach-Kombination hätten auch andere Forschende kommen können…
Ein wichtiger Aspekt war sicher, dass das mesenchymale Pankreaskarzinom meist erst erkannt wird, wenn es nicht mehr operiert werden kann. Daher gibt es nur wenige Proben aus der Praxis. Wir hatten das Glück, dass mein Doktorvater Professor Saur eine einzigartige Sammlung von Tumorproben und Zelllinien von Menschen und Mäusen hat, auf die wir zurückgreifen konnten.
Das Besondere war auch, dass wir ein spezifisches Medikament wie Trametinib in Kombination mit einem breit wirksamen Hemmstoff wie Nintedanib getestet haben. Die meisten Forscher konzentrieren sich auf möglichst spezifische Therapien, weniger auf breit wirksame Medikamente. Ferner haben wir die Kombination an Mäusen mit einem intakten Immunsystem getestet. Ohne diese Versuche, hätten wir die immunaktivierende Wirkung der Kombination niemals entdeckt. Und sicher hatten wir auch ein bisschen Glück.
Wie geht es nun weiter?
Das Labor von Professor Saur wird detaillierter untersuchen, welche Prozesse in den Tumorzellen und im Tumormikromilieu ablaufen und was dazu führt, dass die Therapie manchmal effektiv ist und manchmal nicht. Wir benötigen auch Biomarker, um jeweils den genauen Tumortyp zu identifizieren und der geeigneten Therapie zuzuordnen.
Das Fernziel ist die Translation, also die Übertragung der Erkenntnisse auf die Behandlung von Menschen. Hierfür braucht es klinische Studien, man muss prüfen, ob sich das alles auf den menschlichen Organismus übertragen lässt. Wenn alles klappt, könnte das zum ersten Mal eine Behandlungsoption für die Betroffenen darstellen, die ihre Prognose verbessert.
Sie sind inzwischen als Postdoc an die Icahn School of Medicine am Mount Sinai Hospital in New York gewechselt. Wie geht es bei Ihnen weiter, wie nutzen Sie das Preisgeld?
Einen Teil des Preisgeldes werde ich für meine weiteren Arbeiten am Pankreaskarzinom in New York verwenden. Einen anderen Teil für die Kollaboration mit Helmholtz-Zentren in Deutschland, um z. B. mithilfe von Künstlicher Intelligenz meine sehr großen Datensätze auszuwerten und zu modellieren. Hierdurch erwarte ich, dass wir detailliert verstehen, wie der Tumor das Immunsystem blockiert, um noch effektivere Immuntherapien zu entwickeln.