Europaweit sterben weniger Menschen an Krebs
Eine Studie prognostiziert für 2022 einen weiteren Rückgang der Krebssterblichkeitsraten in der EU — demnach geht u.a. der zuvor stete Anstieg der an Lungenkrebs sterbenden Frauen zurück und der günstige Trend beim Eierstockkrebs setzt sich wahrscheinlich fort.
Die Schätzung wird von internationalen Forschenden seit 2011 vorgenommen. Als Datengrundlage dient das Register für Sterbedaten der WHO, an das die Mitgliedsstaaten jährlich aus ihren nationalen Registern melden. Die Forscherinnen und Forscher errechnen daraus regelmäßig eine Prognose für die zehn häufigsten Krebsarten sowie für Krebs insgesamt und zeigen Entwicklungen im Langzeitverlauf auf.
Die Ergebnisse der aktuellen Hochrechnung
Für die vergangenen fünf Jahre (2017-2022) gehen sie von einem Rückgang der Gesamtkrebssterblichkeitsrate in der EU um etwa sechs Prozent bei Männern und ca. vier Prozent bei Frauen aus. Das folgt dem Trend der letzten 30 Jahre in allen großen westlichen EU-Mitgliedsstaaten.
Gleichzeitig wird nach der vorliegenden Hochrechnung im Jahr 2022 die absolute Zahl von 1.269 200 Krebstoten erwartet — ein Zuwachs gegenüber 2017 von ca. 5 Prozent.
Fortschritte bei Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung
Dass heute weniger Menschen ihrer Krebserkrankung erliegen, ist besseren Präventions-, Früherkennungs- und Behandlungsmöglichkeiten zu verdanken. Starben vor 1980 noch mehr als zwei Drittel aller Betroffenen an ihrer Krebserkrankung, kann heute mehr als die Hälfte auf dauerhafte Heilung hoffen. Forscherinnen und Forscher arbeiten stetig daran, dies zu verbessern. Die Nationale Dekade gegen Krebs will dies weiter beschleunigen und stellt u.a. Forschungsfördermittel für besonders drängende sowie ungelöste große Fragen der Krebsmedizin bereit.
Laut Prognose bleibt Lungenkrebs die Krebsart mit den meisten Todesfällen
Die aktuelle Hochrechnung erwartet in 2022 nach wie vor die meisten Krebstoten beim Lungenkrebs — das gilt für beide Geschlechter. Zwar sinkt die Todesrate bei Männern im Vergleich zum Jahr 2015 um 10 Prozent. Bei Frauen steigt sie jedoch weiter mit geschätzten 2 Prozent pro Jahr an, was immerhin einen langsameren Anstieg im Vergleich zur rasanten Zunahme der letzten Jahrzehnte bedeutet.
Hier spiegelt sich laut den Autorinnen und Autoren wider, dass, nachdem immer mehr Frauen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Rauchen begannen, die Zahl der rauchenden Frauen nun auf einem konstanten Niveau liegt.
Die tödlichsten Krebsarten nach Lungenkrebs
Nach Lungenkrebs ist laut Prognose bei Frauen zu erwarten, dass Brustkrebs die Krebsart sein wird, die am zweithäufigsten zum Tod führt. Als dritthäufigste Krebstodesursache folgt Darmkrebs.
Unter krebserkrankten Männern wird Darmkrebs die Krebsart sein, die am zweithäufigsten zum Tod führt, als dritthäufigste Krebstodesursache wurde Krebs der Prostata ermittelt.
Für fast alle untersuchten Krebsarten zeigt sich ein Sterblichkeitsrückgang. Nur für Krebs der Bauchspeicheldrüse wird, neben dem (langsam rückläufigen) Anstieg der Lungenkrebstode, eine Steigerung der Todesraten erwartet.
Fokus Eierstockkrebs
Dagegen zeigt sich bei Eierstockkrebs eine erfreuliche Entwicklung: Er ist in den letzten zehn Jahren in allen betrachteten Ländern zurückgegangen. Der Rückgang, so die Schlussfolgerung, ist größtenteils auf die zunehmende Verwendung oraler Verhütungsmittel („Pille“) zurückzuführen, die in der Langzeitanwendung zu einer Reduktion des Erkrankungsrisikos um 40 Prozent bei Frauen mittleren Alters und älteren Frauen führt. Auch ein geringerer Einsatz von Hormonersatztherapien seit den 2000er Jahren könnte sich u.a. in Deutschland, wo dies stärker verbreitet war, günstig ausgewirkt haben. Des Weiteren werden Diagnosen inzwischen früher gestellt und die chirurgischen und medikamentösen Möglichkeiten haben sich verbessert.
Hinweise zur Interpretation der Studiendaten durch die Forschenden
Die Autorinnen und Autoren merken an, dass prognostizierte Statistiken zur Krebssterblichkeit mit Vorsicht zu interpretieren sind. Unter anderem könnte die Schätzung der Krebstodesfälle für 2022 durch die COVID-19-Pandemie beeinflusst sein. Möglicherweise könnte es zu einer Vorverlagerung des Todeszeitpunkts bei schwachen und/oder älteren Menschen gekommen sein, so dass diese nicht mehr als Krebstodesfälle erfasst wurden. Auch könnten sich Diagnosen und Behandlungen von Krebserkrankungen verzögert haben, was zu einem anschließenden Anstieg der Krebssterblichkeit führt.
Zusammenfassend bestätige ihr Bericht, so die Forschenden, die prognostizierten rückläufigen Sterblichkeitsraten für die meisten Hauptkrebsarten und für Krebserkrankungen bei beiden Geschlechtern in Europa.
Als die bemerkenswerteste gute Nachricht verzeichnen sie, dass Lungenkrebs bei Frauen endlich eine Verlangsamung der Sterblichkeitsraten zeigt, was die Bedeutung und Wirksamkeit von Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums unterstreiche. Für Eierstockkrebs erwarten sie in naher Zukunft einen weiteren Rückgang, da sich dieser auch schon bei jungen Frauen und Frauen mittleren Alters beobachten ließe.