Brustkrebsmonat: Forschung zur Linderung von Therapie-Belastungen
Immer mehr Menschen leben mit und nach Krebs. Forschung zu unterstützenden (supportiven) Maßnahmen, die die negativen Auswirkungen der Behandlung mildern, ist für sie wichtig. Eine Expertin berichtet über den aktuellen Stand der Supportivmedizin zu Brustkrebs.
Dank diagnostischer und therapeutischer Fortschritte leben in Europa heute 70 Prozent der erkrankten Frauen 10 Jahre oder länger, nachdem sie die Diagnose Brustkrebs erhalten haben.
Ungeachtet der großen Therapie-Fortschritte kann eine Krebstherapie sowohl während der Behandlung als auch darüber hinaus die Lebensqualität einschränken. Um dem bestmöglich entgegenzuwirken, gibt es ein eigenes Fachgebiet: die Supportivtherapie.
Welche supportiven Maßnahmen bei der Brustkrebsbehandlung nach dem aktuellen Forschungsstand empfohlen sind und wo sie weiteren Forschungsbedarf sieht, hat die stellvertretende Sprecherin der AG Supportive Maßnahmen (AGSMO) der Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), Prof. Dr. Karin Jordan, beim ESMO -Kongress 2022 zusammengefasst.
Was kann Supportivtherapie
Als Supportiva bezeichnet man alle unterstützenden Verfahren, die die Symptomatik der Erkrankung sowie durch die Therapie ausgelöste Nebenwirkungen und Langzeitfolgen lindern oder gar verhindern. Sie dienen nicht primär der Heilung, können den Genesungsprozess jedoch beschleunigen und zum Erhalt der Lebensqualität beitragen.
Zudem optimieren sie die Sicherheit von Therapien und schaffen nicht selten erst die Voraussetzung für eine wirksame Behandlung: Denn vertragen Patientinnen eine Therapie schlecht, muss diese oft abgebrochen oder zumindest die Dosis reduziert bzw. die Zeit zwischen zwei Chemotherapiesitzungen, ausgedehnt werden. Das kann die Wirksamkeit der Therapie verschlechtern.
Chemotherapie-induzierte Periphere Polyneuropathie (CIPN) — eine gefürchtete Auswirkung der Krebstherapie
Dabei handelt sich um eine Nervenschädigung an Händen und Füßen. Ab Grad 2 kommt es schon zu deutlichen Beeinträchtigungen des Alltags. Ab Grad 3 sind Beruf oder normale tägliche Verrichtungen nicht mehr ohne weiteres möglich.
Die CIPN kann noch Jahre nach der Therapie anhalten, teilweise sind die Folgen dauerhaft.
Supportivtherapie bei Brustkrebs – Stand der Forschung
Die Expertin berichtet von einer aktuell laufenden Studie (POLAR-Studie), nach der sich das Risiko für Patientinnen eine Nervenschädigung an Händen und Füßen unter einer Chemotherapie mit Taxan zu erleiden, durch eine Kühlung oder Kompression der Hände halbieren lässt. Dies ist ein großer Fortschritt für die Vorbeugung der gefürchteten Nebenwirkung, gegen die es bisher keine prophylaktischen Medikamente gibt.
Für die schnelle Überführung in die Praxis empfiehlt die Spezialistin, während der Therapie z.B. einen zu engen chirurgischen Handschuh anzuziehen, so wie es in der POLAR-Studie gemacht wurde.
Beeinträchtigung des weiblichen Zyklus
Laut einer weiteren laufenden Studie (CANTO-Studie) kommt die ausbleibende Regelblutung bei mehr als der Hälfte der Patientinnen auch nach Behandlungsende nicht wieder.
Das kann verbunden sein mit verfrüht einsetzenden Wechseljahren, was zu weiteren Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit und des Sexuallebens führen kann.
Wegen der Gefahr einer dauerhaften Unfruchtbarkeit weist die Onkologin auf die Bedeutung einer Fertilitätsberatung vor Beginn der Behandlung hin. Dabei erfahren die Frauen, welche Möglichkeiten es gibt, auch nach der Therapie noch Kinder zu bekommen und was dafür vorsorglich getan werden kann (z.B. Einfrieren von Eierstockgewebe, Eizellen oder Embryonen).
Trotz entsprechender Empfehlungen in nationalen und internationalen Leitlinien werden viele Patientinnen nicht immer ausreichend über die Folgen der Chemo- oder Strahlentherapie in Bezug auf Fertilität und über die Möglichkeiten zur Fruchtbarkeitserhaltung aufgeklärt. „All das ist ein großes Thema für die Vielzahl von Patientinnen, die erst 30 oder 40 sind“, hebt die Spezialistin hervor.
Typische Nebenwirkungen unter Chemotherapie: Übelkeit und Erbrechen
Prof. Jordan berichtet zudem von einer großen Meta-Analyse zu Übelkeit und Erbrechen unter einer Chemotherapie, in die 42 Studien und Daten von 15.000 Patientinnen einbezogen wurde. Diese ergab, dass die Linderung von Übelkeit und Erbrechen am wirksamsten durch eine Kombination aus den vier Medikamenten (Dexamethason, 2. Generation 5HT3-Antagonist, NK1-Rezeptor-Antagonist und Olanzapin) zu lindern ist.
Störungen des seelischen und körperlichen Befindens
Nach und während der Behandlung sind psychische Störungen wie Depressionen häufig, ebenso wie Fatigue, ein quälendes Erschöpfungssyndrom. Der aktuelle Ansatz bei Fatigue ist die Abklärung von Blutarmut und Depression, inklusive Kontrolle der Schilddrüsenwerte. Körperliche Aktivität ist nachweislich eine Hilfe.
Zudem gibt es eine Empfehlung für kognitive Verhaltenstherapie. Kurzfristig könnten die Medikamente Dexamethason oder Methylprednisolon angewendet werden. Auch Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion und Yoga können helfen.
Zu komplementärmedizinischen Verfahren, also solchen, die nicht aus der klassischen Medizin („Schulmedizin“) stammen, gibt es ein eigenes Forschungsprojekt — KOKON —, das entsprechende Mittel wissenschaftlich („evidenzbasiert“) untersucht.
Bestehende Empfehlungen besser umsetzen
Nicht immer mangelt es an vorhandenem Wissen. Laut einer neuen Studie fehlt es manchmal auch daran, dass die Leitlinien-Empfehlungen in der Praxis nicht ausreichend umgesetzt werden. Beispiel Blutarmut (Anämie) nach einer Strahlentherapie: „Praxisdaten zum Anämie-Management haben gezeigt, dass die wichtige Bluttransfusion mit konzentrierten roten Blutzellen bei 80 Prozent der Patientinnen nicht richtig gemacht wurde“, berichtet Jordan. Hier müssten die bereits vorliegenden Forschungsergebnisse noch besser am Krankenbett umgesetzt werden.
Es braucht qualitativ hochwertige Survivorship-Forschung
Die Nöte und Lebensrealität der Betroffenen sind im vierten Jahr der Nationalen Dekade gegen Krebs und ihrer Partner besonders im Blickpunkt. Die systematische Beteiligung von Patientinnen und Patienten in der Forschung soll ermöglichen, dass Therapien auch mit Blick darauf weiterentwickelt werden.
Auch das Thema „Daten für die Krebsforschung“ wird in der Dekade gegen Krebs als prioritär eingestuft. So gibt es beispielsweise eine Richtlinie zur Förderung von Projekten zur Entwicklung und Erprobung von neuen Ansätzen der Datenanalyse und des Datenteilens in der Krebsforschung im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs. Damit soll ein Impuls gesetzt werden, die Potenziale vorhandener Daten für Forschungszwecke auszuschöpfen.