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Bakterien als Komplizen des Krebses

Lange galten Bakterien als harmlose Mitbewohner unseres Körpers, doch nun rücken sie in den Fokus der Krebsforschung. Ein DKFZ-Nachwuchsforscher untersucht mit seinem Team ihre Rolle als mögliche Schlüsselfiguren der Krebsausbreitung.

Dr. Jens Puschhof, ein junger Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), verfolgt die Spur von mikroskopisch kleinen Verdächtigen. Mit 1,5 Millionen Euro Fördermitteln vom Europäischen Forschungsrat will er mit seiner Nachwuchsgruppe das Rätsel lösen: Sind Bakterien heimliche Helfer bei der Metastasenbildung? Der Name von Puschhofs Arbeitsgruppe verrät das Ziel seiner Forschung: „Epithel-Mikrobiom-Interaktionen“. Epithel, so heißt das Gewebe, das unsere Organe von innen auskleidet, etwa den Magen-Darm-Trakt. Im Projekt METABAC untersucht das Team die Verbindung zwischen Darmkrebs-Metastasierung und den einzelligen Mitbewohnern systematisch.

Wechselwirkungen zwischen Bakterien und Krebs im Fokus der Forschung

Eine Verbindung zwischen Mikroben und dem Entstehen von Darmkrebs ist bekannt und wird im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs derzeit näher untersucht. Auch bei anderen Krebsarten ist eine bakterielle Besiedelung des Tumors und seiner Umgebung nachgewiesen. Puschhofs Team geht weiter: Es vermutet, dass Bakterien nicht nur bei der Entstehung, sondern auch bei der Ausbreitung von Krebs eine Schlüsselrolle spielen. Diese Hypothese könnte die Krebsmedizin revolutionieren.

Die Reise von Krebszellen verhindern

Metastasen sind der Hauptgrund für krebsbedingte Todesfälle. Trotz Fortschritten in der Krebstherapie bleibt die Heilung bei fortgeschrittenen Stadien oft unerreichbar. Metastasierung ist daher auch ein vordringliches Forschungsziel in der Dekade gegen Krebs. Es braucht mehr Wissen und neue Ansätze, um die tödlichen Absiedelungen besser vorherzusagen oder zu verhindern. Puschhofs Forschung könnte einen Schlüssel liefern, um die tödliche Reise der Krebszellen im Körper zu stoppen.

Genetische Bestandsaufnahme

Das Team katalogisiert zunächst, welche Bakterienarten sich auf Darmkrebs-Metastasen, dem Primärtumor und in gesundem Gewebe ansiedeln. Es entnimmt Proben und untersucht die Mikrobenarten genetisch. Spannend wird sein, welche Bakterienarten sich an den verschiedenen Lokalisationen finden und ob sich Vertreter derselben Art genetisch unterscheiden, je nachdem, ob sie aus Metastase, Primärtumor oder gesundem Gewebe stammen.

Fluoreszenzfärbung macht Organoide (orange) und deren Infektion mit Bakterien (grün) unter dem Mikroskop sichtbar. Artikelbild zu METABAC
Fluoreszenzfärbung macht Organoide (orange) und deren Infektion mit Bakterien (grün) unter dem Mikroskop sichtbar. © Lena Schorr/DKFZ

In einem nächsten Schritt erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie die Mikroorganismen an die Stellen tief im Körperinneren gelangen, an denen Metastasen entstehen. Reisen sie im Inneren der Krebszellen mit? Stoßen bestimmte Arten einzelne Schritte der Krebsausbreitung an? Beeinflussen sie, in welchen Organen sich Tochtergeschwulste ansiedeln? 

Weiterentwicklung in der Tumorforschung: von der Petrischale zum Chip
Mit zum Teil selbst entwickelten Methoden wie der Kultivierung von Tumor-Organoiden gemeinsam mit Bakterien sowie der innovativen Organ-on-a-Chip-Techniken rüstet sich das DKFZ-Team für seine Mission. Diese Miniaturmodelle von Organen ermöglichen es den Forschenden, die komplexen Interaktionen zwischen Krebszellen und Bakterien außerhalb des Körpers zu beobachten. Die organähnlichen Gebilde sind keine exakten Miniatur-Nachbildungen, aber sie simulieren das Zusammenspiel verschiedener Zelltypen besser als einfache Zellkulturen.

High-Tech im Miniaturformat – Organoide und Organ-on-a Chip-Modelle

Organoide werden aus Tumorproben im Labor angezüchtet und organisieren sich zu Zellstrukturen, die Organen ähneln. Daran können Versuche gemacht und die Auswirkungen genauer beobachtet werden. Puschhof hat eine eigene Methode entwickelt, mit der Bakterien darauf kultiviert werden können. So lassen sich ihr Einfluss auf die Organoidzellen im Labor betrachten und krebstypische Veränderungen molekularer Abläufe im Zellinnern durch so genannte „Omics“-Methoden analysieren.

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Es sind Bakterien auf schwarzem Hintergrund zu sehen. Artikelbild zu METABAC
© Lena Schorr/DKFZ

In vorwiegend grün sieht man einen Organ-on-a-Chip, an dem die Forschenden die Bedingungen beobachten, unter denen sich bösartige (grün) gegen gesunde (orange) Darmepithelzellen durchsetzen, mit und ohne Bakterien. Auf dem orangenen Bild sieht man dieselben Zellen als Organoide herangezogen. Ihre inneren Abläufe können durch „Omics“-Methoden analysiert werden.

Organ-on-a Chip-Modelle sind noch ausgeklügelter: Mit Mikrofertigungstechniken entstehen Miniaturmodelle von Organen auf einem Chip, der bestimmte Eigenschaften des Organs wie die Struktur oder Form nachbildet. Darauf ausgesäte Zellen wachsen entsprechend der Trägerform und ähneln damit der Struktur des natürlichen Gewebes. Der Chip kann winzige Kanäle enthalten, die Gefäße in einem Organ nachbilden. Hieran untersuchen die Forschenden die ersten Schritte der Absiedelung — meist erfolgt sie über den Eintritt einzelner Krebszellen in die Blutbahn. 

Am Ende soll ein besseres Verständnis der Interaktionen zwischen dem Wirt und den verschiedenen Mikroben stehen. Damit lassen sich Therapieansätze entwickeln, die hier zielgerichtet und damit smarter eingreifen, als das gesamte Mikrobiom mit einem Breitspektrums-Antibiotikum anzugreifen. 

Entsprechende Erkenntnisse aus dem METABAC-Projekt sollen direkt in translationale Projekte überführt werden, damit Krebspatientinnen und -patienten möglichst schnell davon profitieren. 

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