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Unterschätzte Gefahr

Übergewichtige Menschen haben ein höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken – das ist bekannt. Doch der Zusammenhang ist offenbar noch stärker als bislang angenommen. Und auch ein plötzlicher Gewichtsverlust kann Anlass zur Sorge geben.

Immer mehr junge Menschen erkranken an Darmkrebs. Schon länger wird vermutet, dass dies mit dem steigenden Anteil übergewichtiger und fettleibiger Menschen in dieser Altersgruppe zusammenhängt. Denn Übergewicht steigert das Darmkrebsrisiko. Fettleibige Menschen mit einem BMI über 30 erkranken doppelt so oft an frühem Darmkrebs wie normalgewichtige. Und selbst bei einem moderaten Übergewicht und einem BMI von 25 bis 30 ist die Darmkrebsgefahr erhöht. Zu diesen Ergebnissen kamen Forschende vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) um den Epidemiologen und Präventionsexperten Prof. Hermann Brenner, als sie im Jahr 2022 Daten der sogenannten DACHS-Studie auswerteten.

Ansicht Personenwaage und Maßband DACHS-Studie
Der Zusammenhang zwischen dem Darmkrebsrisiko und Übergewicht ist offenbar stärker als bislang angenommen. © Adobe Stock/9dreamstudio

Zehn Jahre vor der Diagnose

Nun meldete ein Team um Prof. Brenner, dass dieser Zusammenhang sogar noch stärker sein könnte als bisher angenommen. Denn „bislang wurde nicht berücksichtigt, dass viele Betroffene in den Jahren vor ihrer Darmkrebsdiagnose an Gewicht verlieren", sagt der Forscher. „Das hat dazu geführt, dass der Risikobeitrag von Übergewicht in vielen Studien deutlich unterschätzt worden ist." Um die Größenordnung dieser Verzerrung einzuschätzen, werteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Brenner die Daten aus der DACHS-Studie nochmals genauer aus. Diesmal bezogen sie auch die Angaben der fast 12.000 Studienteilnehmenden über ihr Gewicht Jahre vor der Diagnose mit ein.

Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening — DACHS

Die Fall-Kontroll-Studie wird seit dem Jahr 2003 am Deutschen Krebsforschungszentrum durchgeführt und vergleicht an Darmkrebs erkrankte Personen und zufällig ausgewählte Vergleichspersonen ohne Darmkrebs.

Die Kontrollteilnehmenden haben in etwa das gleiche Alter und Geschlecht und kommen aus den gleichen Städten und Landkreisen wie die Erkrankten. Beide Gruppen wurden in der Studie befragt und der Krankheitsverlauf der Betroffenen über zehn Jahre nachbeobachtet.

Insgesamt nahmen zwischen 2003 und 2020 6.602 Darmkrebs-Betroffene sowie 7.950 Menschen ohne Darmkrebs teil.

Sie fanden heraus, dass Übergewicht acht bis zehn Jahre vor der Diagnose besonders stark mit der Wahrscheinlichkeit verbunden war, an Darmkrebs zu erkranken: Studienteilnehmende, die in diesem Zeitraum ein hohes Übergewicht (Adipositas oder Fettleibigkeit) auf die Waage brachten, erkrankten doppelt so häufig wie Normalgewichtige. Menschen verlieren bei Darmkrebs unbeabsichtigt an Gewicht, sodass sich dieses bei der Diagnosestellung oft schon reduziert hat. „Hätten wir, wie in vielen früheren Studien geschehen, nur auf das bei Studieneintritt gemessene Gewicht geschaut, so hätten wir den Zusammenhang zwischen Übergewicht und erhöhtem Darmkrebsrisiko völlig übersehen", so Marko Mandic, der Erstautor der Studie.

Warnsignal Gewichtsverlust

Der Gewichtsverlust lässt sich womöglich als früher Indikator für Darmkrebs nutzen. Denn laut Brenners Team kam ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust von zwei Kilo oder mehr innerhalb von zwei Jahren vor der Diagnose (bzw. vor dem Studieneintritt) bei Krebsbetroffenen 7,5-mal häufiger vor als bei den Personen aus der Kontrollgruppe. „In diesem Zeitraum ist der Krebs schon da, aber noch nicht durch Symptome aufgefallen. Hausärzte sollten ihre Patienten daher regelmäßig nach unbeabsichtigtem Gewichtsverlust fragen", appelliert Brenner, der sich als Vorsitzender der Arbeitsgruppe "Prävention" mit den steigenden Darmkrebszahlen bei Jüngeren beschäftigt. Und Brenner mahnt: „Unbeabsichtigter Gewichtsverlust könnte auch ein früher Hinweis auf andere Krebsarten oder andere Erkrankungen sein und sollte sorgfältig abgeklärt werden."

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